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Wie meistere ich Zeitsprünge in einem Roman?

Ein Problem, vor dem ich stehe, sind Zeitsprünge. Die Geschichte beginnt mit der Geburt meines Protagonisten und endet viele Jahre später. Nach 400 Seiten ist die Figur nun 10 Jahre alt. Die nächsten 4 bis 7 Jahre sind nicht wirklich wichtig für den Verlauf der Geschichte, eine kurze Zusammenfassung würde es tun. Auch später wird noch einmal ein solcher Sprung kommen. Nur weiß ich nicht, wie ich das am besten verpacke. Es ist wichtig, dass man erkennt, wie viel Zeit vergangen ist, da es sich um neue Lebensabschnitte handelt. Reicht ein kurzer Abschnitt à la: "Zehn Jahre waren vergangen. Zehn Jahre in denen sich nichts geändert hatte. Noch immer war er verschwunden, und mit jedem Jahr, ja mit jedem Tag, an dem sie behauptete, er wäre noch am Leben, hielten sie die Menschen ..."? Einfach nur schreiben "Kapitel 10 – 10 Jahre später", ist mir zu wenig. Aber 50 Seiten möchte ich an diese 10 Jahre auch nicht verschwenden. Was meinen Sie?

Die Geschichte bestimmt die Zeitsprünge. Frage dich, was du gern lesen würdest. Wie eine Figur 4 bis 7 Jahre (wieso weißt du das nicht genau?) vor sich hindümpelt und nichts wirklich Interessantes passiert? Oder wie die Figur von einem Abenteuer ins andere schliddert?

Zeitsprünge lassen sich – wie du es vorschlägst – einfach benennen: Zehn Jahre später … Sie lassen sich aber besser mit einer spezifischen Situation der Hauptfigur verknüpfen: (Ende:) „Als sie davonritten, schwankte er auf dem Pferderücken und fragte sich, ob er es je lernen würde, so gerade und elegant wie Genno als Reiter auszusehen." – (Neues Kapitel:) „Sieben Jahre später beugte er sich im Galopp aus dem Sattel, griff nach dem Ziegenfell und warf es Genno zu, der davonpreschte und die Gegner mit einer Staubwolke überzog. [Hauptfigur] wendete sein Tier, ließ es springen und bocken, als ein Gegner an ihm vorbeiziehen wollte ..."

Zeitsprünge können auch am Verhalten oder am Aussehen der Figur festgemacht werden: (Ende:) „Er presste das schmutzige Tuch gegen die Wunde. Von ganzem Herzen wünschte er sich, er läge statt Genno im Staub und Genno hielte sich die Wange. Aber Genno war tot und kein Blut von ihm selbst machte seinen Freund wieder lebendig." – (Neues Kapitel:) „Die Narbe juckte. Er scheuerte mit dem Handrücken an seiner Wange herum, bis ihn scharfe Metallkanten kratzten und daran erinnerten, dass er seinen Kampfschutz trug."

Wenn es Dir schon als Verschwendung erscheint, Seiten auf diese Zeit, die vergeht, zu verwenden, dann geht es dem Leser bestimmt auch so. Also: Lass es! Kürze die Zeit durch zusammenfassendes Erzählen oder Zeitsprünge. Zusammenfassen kann man durch:

  • eine Bewegung, z. B. eine Reise: „Sie verließen das Tal, überquerten die Berge, kalt und nass, kalt und trocken, und erreichten die Straße. Sie folgten ihr, mieden Wagenzüge und Karawanen, umgingen Räubernester und Gasthäuser, bis er kein getrocknetes Fleisch und Hartbrot mehr beißen mochte und sein Hintern fast die Form des Sattels angenommen hatte."
  • durch Zeitabläufe, z. B. Jahreszeiten: „Der Frühling kam und ging mit Teras leisem Bedauern, dass Genno nicht mehr sah, wie es im Garten spross und keimte. Der Sommer legte staubige Hitze über das Land, bis Sommergewitter herabprasselten und Löcher in den Staub stanzten. Gras wurde lang und gemäht, Getreide reif und geerntet, und die Früchte wurden prall und saftig. Der Herbst jedoch fiel aus. Übergangslos schneite es und ..."
  • in den Gedanken der Figuren, z. B.: „Waren wirklich schon zehn Jahre vergangen, in denen sie jeden Tag das Tor geöffnet und auf ihn gewartet hatte? Jeden Abend hatte sie es wieder geschlossen, als wolle sie es nie wieder öffnen, aber dann hatte sie am nächsten Morgen den Riegel gehoben und sich gegen die Torflügel gestemmt, als wäre es erst gestern gewesen, dass er sie verlassen hatte."

Es gibt noch weitere Möglichkeiten, aber ich kann hier nicht alle aufzählen. Wichtig ist, was deine Geschichte „fordert", was sie anschaulich und lesbar macht.

beantwortet von: Stefanie Bense (12-1)

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