The Tempest

Ausgabe 14-06 (20. Juni 2012)

Editorial
Hall of Fame
Tempest-Orte
Schreib-Kick
Lesetipps
Schreibkurs
   "Waffe Adjektiv - ein zweischneidiges Schwert"
   von Stephan Waldscheidt
   "Aus guten Texten sehr gute machen"
   von Susanne Labitzke
Spannung, der Unterleib der Literatur
   "Die Flucht"
   Text: anonym, Lektorat: Hans Peter Roentgen
Verlagsportrait
   "elbaol verlag hamburg"
Frag den Experten für historischen Roman
   (Titus Müller)
Frag die Expertin für Fantasy
   (Stefanie Bense)
Frag den Experten für Verlagswesen
   (Bjørn Jagnow)

EDITORIAL:
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Liebe Autorinnen und Autoren,

im Schreibkurs nimmt sich Stephan Waldscheidt gute und böse Adjektive
vor, und Susanne Labitzke gibt Tipps fürs Überarbeiten. Jede Menge
Tipps hat auch Hans Peter Roentgen parat, der sich einen neuen Text
unter dem Gesichtspunkt "Spannung" angeschaut und mit seinen
hilfreichen Anmerkungen versehen hat. Und auch unsere ExpertInnen
helfen mit handfesten Tipps weiter - ob es nun um den Aufbau eines
Romans in zwei Welten, die Bedeutung von Namen in historischen Romanen
oder Veröffentlichungsrechte geht. Besonders gut gefällt mir auch ...

Der Tipp des Monats Juni, diesmal von Ciara Werner:

    Den Tempest für Lesegerät konvertieren. Dann kann man
    ihn überall lesen und ist so von keinem stationären PC
    abhängig.  Das Gerät ist klein und handlich, man kann es
    deshalb überall hin mitnehmen. Ideen und Tipps
    kann man gleich abspeichern oder bearbeiten.

Und wer gerade eine Alternative zum "Public Viewing" sucht: Wie wäre
es mit ein wenig "Public Tempesting"? Das geht so: Ihr sehr euch all
die kleinen und großen Rubriken im Tempest an und schickt uns dann zu
irgendeiner einen Tipp, einen kleinen Text oder einen
Artikelvorschlag. Ob das nun ein Schreibkick ist oder ein Tipp oder
eine Nachricht, wo ihr den Tempest lest, oder ein Erfahrungsbericht
oder ...

Viel Spaß dabei! Und beim Lesen des Juni-Tempest natürlich auch. Und
beim Überweisen eures freiwilligen Beitrags (es muss ja Spaß machen,
den Tempest am Laufen zu halten, oder?).

  Gabi Neumayer
  Chefredakteurin

Und hier noch mal ein wichtiger Hinweis in eigener Sache
Unser neues Konto für eure freiwilligen Beiträge (s. u.) läuft NICHT
auf den Namen "autorenforum.de", sondern auf "Jürgen Schloßmacher",
der unser Team als neuer Mitherausgeber verstärkt.

~~~~~~~~~~~
Damit wir den Tempest auch in Zukunft weiterführen können, brauchen
wir eure Hilfe: Wer uns unterstützen möchte, überweise bitte einen
freiwilligen Jahresbeitrag (15 Euro haben wir als Richtwert gesetzt,
aber ihr helft uns auch schon mit 5 oder 10 Euro weiter) auf das
Konto:

Jürgen Schloßmacher
Kreissparkasse Köln
BLZ 370 502 99
Kto. 11 42 17 61 63
Stichwort: "Beitrag 2012"

Wichtig: Das Konto läuft NICHT mehr auf den Namen "autorenforum",
sondern nur auf "Jürgen Schloßmacher"!

Für AuslandsabonnentInnen: Am 1. Juli 2003 wurden die
Auslandsüberweisungsgebühren gesenkt. Aber natürlich könnt ihr uns
euren Beitrag auch weiterhin per Post schicken (Adresse am Ende des
Tempest).

Wer aus Österreich überweist, braucht außerdem diese Nummern (bitte
genau so zusammenschreiben!)
IBAN: DE16 5509 0500 0100 7245 15
BIC: GENODEF1S01

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ISSN 1439-4669  Copyright 2012 autorenforum.de. Copyright- und
               Kontaktinformationen am Ende dieser Ausgabe
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 INHALT DIESER AUSGABE:


TEIL 1:

    Editorial
    Hall of Fame
    Tempest-Orte
    Schreib-Kick
    Lesetipps
    Schreibkurs
       "Waffe Adjektiv - ein zweischneidiges Schwert"
       von Stephan Waldscheidt
       "Aus guten Texten sehr gute machen"
       von Susanne Labitzke
    Spannung, der Unterleib der Literatur
       "Die Flucht"
       Text: anonym, Lektorat: Hans Peter Roentgen
    Verlagsportrait
       "elbaol verlag hamburg"
    Frag den Experten für historischen Roman
       (Titus Müller)
    Frag die Expertin für Fantasy
       (Stefanie Bense)
    Frag den Experten für Verlagswesen
       (Bjørn Jagnow)
    Impressum


TEIL 2:

    Veranstaltungen
    Ausschreibungen
    Publikationsmöglichkeiten
         mit Honorar
         ohne Honorar
    Seminare
    Messekalender
    Impressum


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HALL OF FAME:
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                            (redaktion at team pt autorenforum pt de)

Die "Hall of Fame" zeigt die Erfolge von AbonnentInnen des Tempest.
Wir freuen uns, wenn ihr euch davon motivieren und ermutigen lasst -
dann werden wir euer neues Buch hier bestimmt auch bald vorstellen
können.

Melden könnt ihr aktuelle Buchveröffentlichungen (nur Erstauflagen!)
nach diesem Schema:

.......
AutorIn: "Titel", Verlag Erscheinungsjahr (das muss immer das laufende
oder das vergangene Jahr sein!), Genre (maximal 2 Wörter). Zusätzlich
könnt ihr in maximal 60 Zeichen (nicht Wörtern!) inklusive Leerzeichen
weitere Infos zu eurem Buch unterbringen, zum Beispiel eine Homepage-
Adresse.
.......
Ein Beispiel (!):

Johanna Ernst: "Der Fall der falschen Meldung", Hüstel Verlag 2009,
Mystery-Thriller. 60 Zeichen - und kein einziges mehr! Inklusive
Homepage!
.......

Ausgeschlossen sind Veröffentlichungen in Anthologien, Bücher im
Eigenverlag und BoDs (sofern sie im Eigenverlag erschienen sind) sowie
Veröffentlichungen in Druckkostenzuschussverlagen.

ACHTUNG!
Schreibt in eure Mail mit der Meldung immer auch hinein, dass ihr
bestätigt, dass die Veröffentlichung weder im Eigenverlag noch in
einem Verlag erschienen ist, bei dem der Autor irgendetwas bezahlt
hat! Als Bezahlung gilt auch, wenn er Bücher kostenpflichtig abnehmen
muss, Lektorat bezahlt o. Ä.

Schickt eure Texte unter dem Betreff "Hall of Fame" an
redaktion at team pt autorenforum pt de.

Wir berücksichtigen ausschließlich Meldungen, die nach dem obigen
Schema gemacht werden und die Bestätigung zum Verlag enthalten.
Änderungsaufforderungen zu Meldungen, bei denen das nicht der Fall
ist, werden ab sofort nicht mehr verschickt!
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Scheuermann, Ulrike: "Schreibdenken. Schreiben als Denk- und
Lernwerkzeug nutzen und vermitteln", Verlag Barbara Budrich - UTB
2012, Fachbuch/Ratgeber. Infos und Download-Dateien zum Buch:
http://bit.ly/IBSZAe

Scheuermann, Ulrike: "Das Leben wartet nicht. 7 Schritte zum
Wesentlichen", Knaur 2011, Ratgeber/Sachbuch.  Infos und Download-
Dateien zum Buch: http://bit.ly/ImpmPs

Scheuermann, Ulrike: "Die Schreibfitness-Mappe. 60 Checklisten,
Beispiele und Übungen für alle, die beruflich schreiben", Linde 2011,
Ratgeber/Arbeitsbuch. Infos und Download-Dateien zum Buch:
http://bit.ly/srtRXU

Rita Lamm:"Josefines Erbe", Drey-Verlag 2012, Erzählungen. Geschichten
von Menschen in  Dörfern, www.ritalamm.de

Jessica & Diana Itterheim: "Schloss der Engel", Aufbau Verlag 2012,
Fantasy-Roman


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TEMPEST-ORTE:
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                            (redaktion at team pt autorenforum pt de)

Wo - in aller Welt - lest ihr den Tempest? Hier sind weitere
Antworten. Schreibt uns weiter!

++++++++++

Ursula Schmid-Spreer:

Ich lese den Tempest in einem kleinen Dorf bei Luzern. Den Laptop auf
den Knien sitze ich bei strahlendem Sonnenschein auf der Terrasse mit
Blick auf den Pilatus und den Luzerner See. Da kann man gar nicht
anders als romantische Geschichten zu schreiben.

[Ja, auch Tempest-MitarbeiterInnen dürfen mal Urlaub machen! - die
Red.]

++++++++++

Dennis Frey:

Die aktuelle Ausgabe des Tempest lese ich in Kyoto, Japan, wo ich
grade Urlaub mache und neue Ideen sammle. Bald geht es wieder zurück
nach Hause, und das nächste Mal, wenn eure Mail kommt, bin ich wieder
in Cork an der Südküste von Irland. Dort werden dann eure Tipps und
die vielen neuen Eindrücke literarisch verarbeitet.

++++++++++

Ciara Werner:

Wo lese ich den Tempest? An einem einsamen Strand an der Ostsee. Nur
der Ruf der Möwen und das Rauschen des Meeres ist zu hören.



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SCHREIB-KICK:
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                            (redaktion at team pt autorenforum pt de)


Unser Schreib-Kick für den Juni, diesmal von Ursula Schmid-Spreer:

Konzentrieren Sie sich einmal völlig auf Details, und stellen Sie sie
mikroskopisch genau dar. Das können merkwürdige Einzelheiten einer
Person, eines Ortes oder einer Situation sein. Sie können ein einziges
Detail in den Blickpunkt der Darstellung rücken, z. B. Hände beim
Reden, oder beschreiben Sie das Zimmer eines abwesenden Menschen.


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LESETIPPS:
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                            (redaktion at team pt autorenforum pt de)


http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/hugendubel-thalia-co-abschied-
vom-buch-11717792.html
Macht Amazon nun den großen Buchhandelsketten wie Thalia, Hugendubel &
Co. den Garaus? Gehen den Buchhandelskonzernen mit ihren großen
Verkaufsflächen und Bestsellerstapeln die Käufer und Leser aus?


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SCHREIBKURS:
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                            (redaktion at team pt autorenforum pt de)

            "Waffe Adjektiv - ein zweischneidiges Schwert"
                       von Stephan Waldscheidt

         Das vergleichende Adjektiv

In Ihrer komparativen, der vergleichenden Funktion - "schneller,
höher, weiter" - leisten Adjektive dem Schreiber gute Dienste. Das
Spannende daran insbesondere für Romanautoren: Vergleiche enthalten
immer schon einen Konflikt. Und weil Konflikte der Motor eines Romans
sind, hier ein entsprechend motorlastiges ...

Beispiel:
+++++
Das Auto von Leons Vater war schnell. Ein Porsche. Leon liebte es.
Leon liebte es besonders, vor seinen Freunden damit anzugeben.
Eines Tages kaufte Jans Vater sich einen Ferrari. Er war in der Spitze
um ganze 17 km/h schneller als der Porsche von Leons Vater. Das war
eine Menge, eine ganze Welt aus Aston Martins, Maseratis,
Lamborghinis. Auf einmal hatten sich die Gewichte in der Klasse
verschoben, jetzt war Jan der Star. Und er ließ keine Gelegenheit aus,
Leon jede einzelne Angeberei des letzten Schuljahrs, des Porsche-
Schuljahrs, heimzuzahlen.
+++++

Und dann kommt Nicolas Vater mit dem neuen Bugatti an und seinen 1001
PS. Sein Wagen ist eindeutig der schnellste. Die anderen Burschen um
Jan und Leon beschließen, ihm nachts die Reifen plattzustechen. Und
damit beginnt ein mitreißendes Kinderbuch ... Im Grunde mit
Adjektiven!


         Das wertende Adjektiv

Hilfreich beim optimalen Gebrauch von Adjektiven ist die
Unterscheidung in Adjektive der Sinneswahrnehmung - wie "groß,
muskulös" und "rot". Und in wertende Adjektive - wie "schön, gut" oder
"freundlich" -, die eine Einschätzung wiedergeben, keinen objektiven
Sachverhalt.

Wir neigen im Alltag dazu, wertende Adjektive inflationär zu
verwenden. Wörtchen wie "nett, schön" oder "richtig" blähen unseren
Sprachausstoß so sehr auf, dass sie fast ihre ursprüngliche Bedeutung
eingebüßt haben. Bestenfalls sind sie zu sozialem Kitt degeneriert,
schlimmstenfalls zu lauwarmer Luft.

Entsprechend niedrig ist die Hemmschwelle, Ähnliches auch unseren
Texten anzutun. Darunter leidet der Leser. Zu oft transportieren
wertende Adjektive keinerlei Information. Oder sehen Sie ein
konkretes, starkes oder gar gefühlsintensives Bild vor sich, wenn
Ihnen jemand sagt, er hatte "einen gelungenen Urlaub"?

Für Romanautoren ist es darüber hinaus essenziell, sich dieser
Unterscheidung von wertend und (neutral) beschreibend bewusst zu
bleiben. Gerade wertende Adjektive eignen sich als Mittel der
Charakterisierung des Bewerteten, aber auch - und manchmal noch
stärker - der Charakterisierung des Wertenden.

Beispiel:
+++++
Sie sah vertrocknet aus und hässlich gegenüber der jüngeren Frau, eine
scheintote Ente neben dem strahlenden Schwan.
+++++

Eine Romanfigur, die so gnadenlos und verletzend urteilt, wird dem
Leser kaum sympathisch sein. So zutreffend die Beobachtung vielleicht
sein mag.

Eine solche Wertung bedeutet für den Autor ökonomisches Erzählen. Er
zeichnet ein Bild der alten Frau und vermittelt zugleich ein Bild des
Beobachters. Während das Bild der Frau jedoch ein äußerliches ist, ist
das Bild, das der Beobachter von sich selbst abgibt, eine Aufnahme
seines Inneren. Und: Selbst dieser Beschreibung des Aussehens der Frau
misstraut der Leser. Weil er dem - unsympathischen - Beobachter
misstraut.

Spannend wird es für Sie als Autor da, wo die Grenzen verschwimmen.
Ein Adjektiv wie "alt" kann einer sinnlichen Wahrnehmung entspringen -
ein Haus aus dem 16. Jahrhundert, einsturzgefährdet -, es kann aber
auch eine Wertung bedeuten, etwa bei der Beschreibung eines Mannes.
Der Mann könnte dreißig sein und von einem Vierjährigen als alt
bezeichnet werden. Er könnte hundert sein, objektiv alt. Oder er
könnte das Attribut "alt" verpasst bekommen, weil jemand ihn
beleidigen oder verspotten will.

Sobald Sie sich in solche Grenzregionen begeben, können Sie nicht mehr
kontrollieren, wie Ihre Leser das Adjektiv ansehen - als objektive
Beschreibung oder als Wertung. Was wiederum die Bewertung Ihres
Erzählers beeinflussen und in eine andere Richtung lenken kann, als
Sie das möchten.

Davor schützen eine präzise Schreibe und eine klare
Charakterzeichnung. Dann erkennt fast jeder Leser, ob Ihre Romanheldin
ein ernstgemeintes Urteil abgibt oder spottet, wenn Sie den neuen
Sportwagen ihrer Chefin als "schön" bezeichnet.

Grundsätzlich sollten Sie mit Adjektiven, die eine Wertung bedeuten,
besonders behutsam umgehen. Bei der Rohfassung dürfen Sie diesen Rat
ignorieren, spätestens bei der Überarbeitung jedoch sehen Sie sich
solche Stellen genauer an und merzen unbeabsichtigte
Interpretationsspielräume und Mehrdeutigkeiten aus.

[Dies ist ein Auszug aus Stephan Waldscheidts "Adjektive - gut oder
böse?". Leseprobe, Inhalt & Download:  http://amzn.to/IuLyJT]

                  **~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~**

Mehr über die anderen Ratgeber der Reihe auf http://www.bessere-
romane-schreiben.de. Auf http://schriftzeit.de gibt Waldscheidt
werktäglich Tipps für Autoren. Als Paul Mesa schreibt er Romane,
http://www.paulmesa.de.


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SCHREIBKURS:
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                            (redaktion at team pt autorenforum pt de)

                 "Aus guten Texten sehr gute machen"
                         von Susanne Labitzke

Irgendwo habe ich den Spruch gelesen: "Kunst ist schön - macht aber
viel Arbeit." Er passt auch zur Schriftstellerei, denn beeindruckende
Texte entstehen seltenst durch Musen-Kuss, vielmehr durch harte
Arbeit. Ist eine Geschichte zu Papier gebracht, fängt die Fron sogar
erst richtig an, nämlich die Überarbeitung.

Denken Sie jetzt: "Kenn ich. Kann ich!"? - Herzlichen Glückwunsch,
sicher schreiben Sie seit Ewigkeiten und besitzen einen Schatz
gedeihlicher Kenntnisse und Fertigkeiten. Aber haben Sie sich einmal
überlegt, was im Einzelnen Sie da tun, wenn Sie einen Text ausfeilen?


         Was ist Überarbeitung?

Das Ergebnis einer Umfrage zum Wesen von Überarbeitung würde
vermutlich lauten, sie sei der Vorgang, bei dem ein entworfener Text
in ein möglichst geniales Werk überführt wird. Das wäre korrekt,
gleichzeitig vage. Denn was genau soll aufgemöbelt werden? Plot,
Spannungsführung, Figuren, Höhepunkte, Stil, Logik, Konsistenz? Alles
kann Gegenstand von Inspektion und Änderung sein. Am Ende wünscht man
sich das Ganze optimal gestaltet. Nur besteht das Ganze aus vielen
Zutaten, und niemand vermag alle Aspekte in einem Durchlauf zu
checken.

Für unerfahrene SchreiberInnen ist die Tatsache, dass die Veredelung
eines Entwurfs aus vielen, manchmal sehr vielen Durchgängen besteht,
eine bittere Pille. Allerdings treten sogar manche AutorInnen, die
sich durch zahlreiche Veröffentlichungen als alte Hasen ausweisen, mit
der Vorstellung an, ihr Werk in einem Rutsch bändigen zu können. Dabei
redigieren selbst versierte LektorInnen Manuskripte mehrfach, um
Qualität zu liefern.

Welche und wie viele Nachbesserungsschritte ein Manuskript benötigt,
hängt von seinem Stadium ab und von der Vorgehensweise und Erfahrung
des Schreibenden. Entsprechend variiert der Zeitaufwand erheblich.


         Konzeptionell-dramaturgische Überarbeitung

Stellen Sie sich einen Garten vor: Jemand legt Beete an, sät und
pflanzt allerlei, baut eine Laube -  um dann festzustellen, dass der
Rasen für zwei Liegestühle zu klein ist. Zum Komposthaufen führt kein
Weg, und will man zu ihm gelangen, tritt man unweigerlich
Lauchzwiebeln platt und wird von Rosen zerstochen. Die Laubentür
schlägt gegen den Zaun, und wegen der vielen Spinnen in den
Himbeerbüschen mag niemand die Beeren pflücken. Diese Anlage schreit
nach Umgestaltung.

Ein anderer Gärtner klärt zunächst den Bedarf: Nutzgarten,
Erholungsparadies oder Traum eines Rosenliebhabers? Hernach skizziert
er Einzelheiten, besorgt benötigte Materialien und legt los.

Schreiben und Gärtnern ähneln sich insofern, als man Projekte
organisch entwickeln kann (Schreibflow, dann ummodeln) oder eben mit
einer Planungsphase beginnt. Letzteres entspricht dem methodisch-
planvollen Schreibansatz und heißt, Sie öffnen den
schriftstellerischen Werkzeugkasten vor Niederschrift des Entwurfs -
bei der organischen Methode erst danach. Wer Im Vorfeld Figuren,
Szeneinhalte, -abfolge usw. umreißt, dessen dramaturgische Bereinigung
tendiert im besten Fall gegen null. Wer den Textentwurf ohne
Präliminarien in die Tasten haut, dem kann es passieren, dass er sein
Material schließlich völlig umkrempeln muss.

Im Endeffekt hat die Herangehensweise keinen Einfluss auf die Güte der
Kreation und ist Typsache. Doch das systematische Verfahren spart oft
Zeit. Egal, welchen Ablauf Sie vorziehen, früher oder später genießen
Sie die Freiheit und tragen die Last der gestalterischen
Entscheidungen: Sie bestimmen die Grundzüge der Geschichte (Plot,
Konflikt), überlegen, wie Sie sie optimal umsetzen (Handlungsablauf,
Charaktere, Perspektive) und wie Sie das spannende Zusammenspiel aller
Komponenten sichern (Höhepunkte, Spannungsführung). DAS ist
absichtsvolle Gestaltung - ohne sie erntet man Unkraut.


         Empfehlung

Loten Sie das Ihnen zuträgliche Maß an Planung aus. Wie viel
konzeptionelle Festlegung ist Ihrem individuellen Schreibstil
zuträglich, ohne dass die Kreativität leidet?

Steht Ihnen ein gut abgestimmtes Gesamtbild vor Augen, beflügelt das
den Schaffensprozess, trotzdem bleiben Ihre künstlerischen Freiheiten
erhalten. Entwerfen Sie drauflos, sprudeln womöglich mehr Ideen, doch
rechnen Sie mit einem Motivationstief, wenn Sie mehrere Beete um- oder
Bäume wieder ausgraben müssen.


         Sprachlich-stilistische Überarbeitung

Jeder Text profitiert von einer sprachlich-stilistischen Politur, die
darin besteht, überflüssige Wörter ohne Pardon zu streichen und was
übrig bleibt, so klar, treffend und ausdrucksstark wie irgend möglich
zu meißeln.

Dass Neulinge des literarischen Parketts weder ihre Lieblingswörter
noch ihre bevorzugten Satzkonstruktionen kennen, die Zeiten falsch
verwenden ... Geschenkt. Aber versierte SchreiberInnen?

Angesichts der Unbedarftheit und Ungeduld, mit der viele Schreibende
an ihren Endfassungen laborieren, wünsche ich mir zuweilen einen
Impfstoff für Durchhaltevermögen und Know-how.

Befassen Sie sich mit Sprache und ein paar grundlegenden Standards
(Seminare, Ratgeber, Newsletter), denn kein Lektor lässt Wischiwaschi
und Stilschluderei als persönlichen Stil gelten. Eliminieren Sie
schwache Verben, ein Übermaß an Bestimmungswörtern, Bandwurmsätze,
womöglich noch verschachtelt 


Ein Beispiel:
+++++
Von einer Sekunde auf die andere quollen ihm Schweißtropfen aus jeder
einzelnen Pore, so dass das weiße Feinrippunterhemd ihm sofort
unangenehm auf der Haut klebte und nur eine Sekunde später auch das
teure Maßhemd. Er versuchte krampfhaft, sich darauf zu konzentrieren,
nicht so flach und unregelmäßig ein- und auszuatmen, um so zu
verhindern, dass er gleich ohnmächtig vom Stuhl kippte, denn er wollte
nicht, dass er gerade jetzt ungewollt Aufsehen erregte.
Er war nicht sicher, ob das Gulasch mit Gemüse und Erbsen an der
grässlichen Attacke schuld war oder womöglich doch die Aktienkurse ihm
so zusetzten.
+++++

Der Text enthält überflüssige Bestimmungen - das schwemmt auf. Zu
viele Wortwiederholungen wirken langweilig (z. B. zweimal "Sekunde" im
ersten Satz). Die Wiederholungen von "nicht" sind Verneinungen, was
noch gravierender ist - Leser erfassen positive Formulierungen
leichter. Der erste und der zweite Satz sind zu lang. Der Oberbegriff
"Gemüse" umfasst bereits die "Erbsen", außerdem sollte man der
Anschaulichkeit wegen den konkreten Begriff einem abstrakten
vorziehen.  Hier kann man allerdings auf beide verzichten - Gulasch
allein macht die Aussage als Gegensatz zu den Aktienkursen prägnanter.


Überarbeitung:
+++++
Schweiß quoll ihm aus jeder Pore. Sofort klebte das Unterhemd auf
seiner Haut und eine Sekunde später das Maßhemd. Er atmete
konzentriert ein und aus, um nicht ohnmächtig vom Stuhl zu kippen.
Jetzt bloß kein Aufsehen erregen!
Ob das Gulasch die Attacke ausgelöst hatte? Oder doch die Aktienkurse?
+++++

Analysieren Sie Ihre Schreibe, und nehmen Sie jede Ihrer sprachlichen
Besonderheiten kritisch unter die Lupe. Sobald Sie Ihre Eigenheiten
lokalisiert haben, brauchen Sie keine Wie-dressiere-ich-meinen-Text-
Checklisten mehr abzuhaken. Stattdessen feilen Sie zielgerichtet,
bauen Ihre Stärken aus und verwandeln Schwachpunkte in Glanzlichter.


         Die Reihenfolge

Sinnvollerweise findet die sprachlich-stilistische Revision statt,
nachdem ein Manuskript dramaturgisch auf Vordermann gebracht ist.
Andernfalls vervollkommnen Sie heute eine Passage, die Sie schon
morgen ersatzlos streichen.

Einige SchreiberInnen prüfen mühelos mehrere Aspekte in einem
Durchgang. Stilistische Korrekturen, während man z. B. noch am Aufbau
bastelt, bergen jedoch die Gefahr, dass man sich in sprachlichen
Details verliert. Tipp: Hakelnde Stellen markieren und in einem
weiteren Durchgang bändigen.

Gaaanz zum Schluss sind natürlich Rechtschreibung, Grammatik und
Zeichensetzung zu prüfen.
Und wenn Sie vor Weitergabe Ihres Manuskripts auch noch sämtliche
überflüssigen Leerzeichen entfernen, beeindrucken Sie jeden Lektor
dieser Welt.

                  **~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~**

Susanne Labitzke ist in Berlin als freie Lektorin, Autorenberaterin
und Schreibdozentin tätig. http://www.SusanneLabitzke.de


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SPANNUNG, DER UNTERLEIB DER LITERATUR:
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                            (redaktion at team pt autorenforum pt de)

Was macht Romane spannend, und vor allem: Was macht sie langweilig?

Wer Szenen hat, die sie oder er für spannend hält, oder Szenen, bei
denen er sich nicht sicher ist, oder solche, die eigentlich spannender
gestaltet sein sollten, doch die Frage ist: Wie? - wer solche Szenen
hat, kann sie mir schicken.

Ich wähle dann einige aus, die ich im Tempest bespreche. Schickt die
Szenen als E-Mail-Anhang im RTF-Format an: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Bitte nicht mehr als 7.000 Anschläge, also etwa vier Normseiten. Dazu
zählt auch der Vorspann! Da die Szenen aus beliebigen Stellen eurer
Manuskripte stammen dürfen, müsst ihr eventuell die Vorgeschichte der
Szene erklären. Diese Erklärung sollte 400 Anschläge nicht
überschreiten!
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                           "Die Flucht"
            Text: anonym, Lektorat: Hans Peter Roentgen



         Vorgeschichte

Die Geschichte spielt in einer Fantasiewelt, die der unseren ähnelt,
aber es herrscht eine Schreckenherrschaft. Eine Schülerin,
Spitzensportlerin und aus einer oppositionellen Familie, wird vor den
Direktor zitiert und muss fliehen.

++++++++++

Jenna schlenderte zu den Kämpfenden und nahm in einer der
Fensternischen auf der Polsterbank Platz, als wolle sie Matti im Blick
behalten.
Schließlich wandte sie sich ab und öffnete eines der hohen Fenster. Um
besser sehen zu können, lehnte sie sich sogar hinaus. Träge walzten
sich die niedrigen Elbfluten durch die flirrende Sommerhitze.
Verstohlen sah sie auf ihre Armbanduhr. Jetzt war bereits eine
Dreiviertelstunde vorüber, seit Yvetta zum Direktor musste.
Vom Dach knallte es laut wie bei einer Explosion. Jenna und einige
Umherstehenden zuckten zusammen.
"Was war das?!", rief jemand neben ihr.
Vor ihren Augen glitt lautlos ein Polizeiauto hinab in die Tiefe, und
prallte - Krach! - auf die Baumkrone der alten Ulme - geradewegs in
das weiche Nest der Schwamm-Spinne! Außer den nahezu verbissen
Kämpfenden hatte jeder den ohrenbetäubenden Lärm gehört und rannte zu
den Fenstern, um nachzuschauen.
Das Gewicht des Autos zerdrückte das feine Spinnennest und fiel wie
Fels hindurch - Spinnenfäden hinter sich her ziehend.
Ein heller Kampfesschrei erklang, der augenblicklich nun auch Matti
und Sebastian in ihrem Kampf innehalten ließ. Sie stellten sich hinter
ihre Mitschüler. Da sie die meisten mit ihrer Körpergröße überragten,
konnten sie das Geschehen draußen gut beobachten.
Die vor einer halben Stunde abgeführte junge Frau war von den Zinnen
der Oberburg hinabgesprungen. Kopfüber erhaschte sie einen der
Spinnenfäden, hielt sich daran fest und begann hin und her zu
schwingen, bis sie in die Nähe der Seilbahn angelangt war.
Pünktlich auf die Minute fuhr die Flussgondelbahn in die nahe
Haltestelle ein.
Die Flüchtende ließ ihren sicheren Schwungstrang los und landete hart
auf einem der Sitze der offenen Gondeln. Entkommen!
Das Publikum an den Galeriefenstern jubelte.
Mit einem Ruck fuhr die Gondelbahn weiter. Die Elbe verschlang derweil
schmatzend das Polizeiauto.
Kurz darauf fuhren ein Mann und eine Frau mit schnellen Motorrädern
aus der Burg hinaus, der Entflohenen hinterher.

Hastig schaute sich Yvetta um.
"Verdammt!", rief sie, als sie die beiden Verfolger auf den
Motorrädern entdeckte, die näher und näher kamen.
Die Endstation der Flussgondelbahn war bald erreicht. Yvetta sah sich
immer wieder nach ihren Verfolgern um. Fluchend stellte sie fest, dass
der Bahnhof ihr die Sicht auf die beiden nahm. Die Bahn hielt an und
sie stieg aus. Sie raste die Treppe hinunter, so schnell es ihre Füße
ihr erlaubten, wandte sich nach rechts zum Abfahrtssteig der nächsten
Bahn. Gleich zwei Stufen auf einmal nehmend, stieg sie die Treppen
empor. Sie schaute auf die Fahrtentafel. Abfahrt in fünf Minuten. Das
würde knapp werden.
Eilige Schritte hinter ihr drangen an ihr Ohr. Mit geschärften Sinnen
drehte sie sich unheilschwahnend um. Ihr Körper war gespannt wie eine
Bogensehne. Da waren sie schon. Ihre Verfolger hatten sie eingeholt
und in die Enge getrieben!
`Wohin? Wohin? Wohin? Weg! Weg! Weg!?, hämmerte es in Yvettas Kopf.
Ihre Gedanken überschlugen sich, während sie die letzten Stufen zurück
nach oben erklomm.
Sie drehte sich einmal um ihre eigene Achse und suchte nach einer
Fluchmöglichkeit. Dann riss sie ihren Bogen aus der Tasche und einen
Pfeil mit Gummiseil aus ihrem Köcher, zielte aufs Bahnhofsdach und
traf.
Sie zog kurz am Seil, um die Festigkeit zu prüfen, schwang sich bis
zum letzten gegenüberliegenden Bahnsteig und fing den Sturz mit einer
Vorwärtsrolle ab. Dann blickte sie sich um. In diesem Moment kamen
ihre Verfolger die Treppe hoch und sahen Yvetta.
Mit einem kräftigen Zug rettete sie ihr Gummiseil, stopfte es in die
eine Tasche, während sie aus der anderen ein Kletterseil herauszog und
zur abgrenzenden Bahnhofsmauer rannte, die einen offenen Blick auf den
Fluß bot.
Flink befestigte sie ihr Seil, schwang sich über die Mauer. Kurz
schaute sie hoch und traf die Blicke ihrer Verfolger. Kurzerhand
machten der Mann und die Frau kehrt. Ihre rennenden Schritte hallten
bedrohlich durch den Bahnhof.
Yvetta seilte sich in einer schnellen Bewegung an der steilen Wand zum
Elbufer hin ab und kam heil unten an. Ein Dampfhorn tutete vom Fluß
und Nebel wallte von der Elbe herauf, der ungewöhnlich schnell größer
wurde und Geräusche und Konturen bald verschluckte.
Der Mann und die Frau kamen näher, sie sahen in der dicken Nebelsuppe
nur einen Hauch von Yvettas Schatten. Trotzdem folgten sie ihr so
schnell, als hätten sie Flügel an ihren Füßen.
Und plötzlich war die Flüchtende verschwunden und ihren Verfolgern
glücklich entronnen. Der Nebel lichtete sich und verschwand so
schnell, wie er gekommen war.
Jetzt erst gelangten die Frau und der Mann aus der Burg wutentbrannt
am Ufer an. Von Yvetta war weder etwas zu sehen noch zu hören. Auf der
Elbe lag in der Ferne nur der Nebel, der sich in die Ferne zurückzog.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

                  Lektorat von Hans Peter Roentgen

Eine Welt wie die unsere, es gibt die Elbe und Schulen, aber auch
riesige Nester von Schwammspinnen, etwas Magie und eine Polizei, die
offenbar die Bevölkerung terrorisiert. Der Hintergrund ist gut
getroffen und macht neugierig.

Aber was ist mit der Handlung selber? Ist diese Verfolgungsjagd so
spannend, wie sie sein könnte? Hat der Autor das Potenzial dieser
Flucht genutzt? Ich meine, dass diese Szene viel spannender gestaltet
werden könnte.


         Erzählperspektiven

Wie wird die Szene erzählt? Wer erzählt, und aus welcher Perspektive
erleben wir die Szene?

Am Anfang erleben wir das Szenario aus der Sicht von Jenna, die
besorgt ist. Eine andere Schülerin, Yvetta, wurde zum Direktor
gerufen, und sie weiß nicht, was ihr dort bevorsteht. Sie ahnt Böses
und setzt sich deshalb ans Fenster. Und bald beobachtet sie ein
Polizeiauto, das - offenbar durch Magie - durch die Luft gewirbelt
wird, kurz in dem Netz einer Spinne landet und dann in der Elbe
versinkt. Derweil kann Yvetta in der Flussgondelbahn landen.

Anschließend erleben wir die weitere Flucht aus der Sicht von Yvetta.
Sie weiß, dass sie verfolgt wird, dass die Bahn nicht schnell genug
kommt, und nutzt ihre Möglichkeiten, sich zur Elbe hinabzuseilen.

Und zum Schluss ist sie fort, und das erzählt uns eine auktoriale
Erzählerstimme.


Wechselnde Perspektiven
...................

Drei verschiedene Perspektiven in einer Szene: Das ist ein bisschen
viel. Dazu kommt, das keine der drei richtig entwickelt wird. Keine
bekommt die Gelegenheit, den Leser zu packen.

Jenna ist besorgt, das dürfen wir vermuten, weil sie sich ans Fenster
setzt. Dennoch erleben wir Jennas Besorgnis kaum. Zu schnell wechselt
die Szene zu Yvetta. Auch die erleben wir nicht so richtig, sie wird
eher aus der Distanz geschildert. Dazu tragen auch die verwendeten
Wörter bei: Sie "sieht" sich nach ihren Verfolgern um. Sie "schaut"
auf die Fahrtentafel. Das klingt nicht sehr gefährlich, mit solchen
Worten schildert man jemanden, der befürchtet, er werde sich
verspäten. Aber jemand, hinter dem die Polizei her ist, für den das
Entkommen lebenswichtig ist? Da wären andere Worte angemessener.

.......
"Ein schneller Blick zurück, verdammt, der Bahnhof versperrte die
Sicht."
.......

Immerhin ist das eine hektische Flucht, in der es auf Geschwindigkeit
ankommt und keine Zeit bleibt, sich immer wieder ruhig umzusehen.

Und zum Schluss die Polizisten? Sie haben ihr Opfer verloren, sie
kommen "wutentbrannt" zum Flussufer. Und auch das wird aus der Distanz
geschildert. Dabei haben beide gerade ihr Ziel verfehlt, nämlich
Yvetta festzunehmen. Eine Schülerin hat sie an der Nase herumgeführt.
Vermutlich werden ihre Vorgesetzten nicht begeistert sein. Wie
reagieren sie darauf? Die Bemerkung, dass sie "wütend" sind, lässt uns
die Gefühle der beiden nicht erleben.


Die Perspektive der Heldin
..........................

Aus welcher Sicht, aus welcher Perspektive eine Szene geschildert
wird, ist mit entscheidend dafür, wie spannend die Szene ist, wie sehr
sie die Leser in Bann schlägt.

Eine alte Regel sagt: Wähle immer die Perspektive der Figur, die am
meisten zu verlieren hat. In unserem Fall wäre das Yvetta. Wie sähe
die Szene aus, wenn sie von Anfang an aus Yvettas Perspektive erzählt
wird?

Sie wird zum Direktor gerufen, sie weiß, dass sie dort nichts
Angenehmes erwarten wird. Was sagt der Direktor, was spielt sich dort
ab? Offenbar sind bereits Polizisten dort, sie muss fliehen. Wie
gelingt ihr das? Immerhin dürften die Polizisten keine ahnungslosen
Dilettanten sein. Allein die Flucht aus dem Direktorzimmer, das
magische Kunststück mit dem Wagen könnte bereits einige Spannung
bringen.

Wenn wir die weitere Flucht aus der Sicht Yvettas erleben und dabei
dicht an der Person bleiben, könnte das die Spannung der Szene
erheblich steigern.


Die Dr.-Watson-Perspektive
..........................
Man kann aber auch Regeln brechen. Sherlock Holmes erleben wir nicht
aus der Perspektive des großen Detektivs selbst, sondern aus der Sicht
seines Freundes, Dr. Watson.

Diese Perspektive ist heute selten, kann aber durchaus Vorteile
bieten. Der Autor kann Dinge erzählen, die er aus der Sicht des Helden
nicht schildern kann. Er kann den Leser mit anderen Dingen auf die
Folter spannen.

Jenna weiß nur, dass Yvetta zum Direktor gerufen wurde. Sie ahnt, dass
das nichts Gutes bedeutet. Sie setzt sich ins Fenster, die Minuten
dehnen sich, was mag dort vorgehen? Sie trommelt mit den Fingern auf
der Fensterfassung.

Dann, endlich, das Auto. Aber wo ist Yvetta?

Endlich sieht sie sie, sie schwingt an einem Spinnenfaden hin und her,
wird er reißen? Nein, sie kann sich in die Kabinenbahn retten. Gut,
halt aus, weiter, warum fährt die Bahn nicht schneller? Jenna beißt
sich in die Knöchel ihrer Faust.

Die Polizisten erscheinen, verdammt, Yvetta weiß das nicht, sie werden
sie im Bahnhof abpassen und erwischen ...

Auch diese Perspektive wäre also möglich.

Wenn man nicht sicher weiß, welche Perspektive die beste, die
spannendste ist, sollte man es einfach ausprobieren. Eine Szene aus
der Sicht Yvettas, eine aus der von Jenna. Vielleicht sogar eine aus
der Sicht der Polizisten?

Das ist verschwendete Zeit, meinen Sie, schließlich wird nur eine
Perspektive später im Manuskript Verwendung finden?

Nein, das ist keine verschwendete Zeit. Im Gegenteil, damit lernt man
seine Figuren besser kennen, man bekommt ein besseres Gefühl für die
Dramatik der Szene und kommt damit seiner Geschichte näher. In
Zweifelsfällen ist es immer eine gute Idee, mit Perspektiven zu
spielen, mehrere auszuprobieren.

Und noch etwas zum Schluss: Die Schwarmspinne ist ein gutes Detail für
den Hintergrund dieser Geschichte. Warum diese nicht besser nutzen?

Yvetta hat einen Pfeil mit Gummiseil. Gummi ist nicht gerade leicht.
Warum in dieser Welt, in der Spinnen große, stabile Netze bauen, nicht
Spinnenfäden statt Gummiseile nutzen?

Und selbst wenn Yvetta Spitzensportlerin und damit trainiert ist, wird
diese Verfolgungsjagd sie an die Grenze ihrer Kräfte führen. Sie darf
also durchaus um Atem ringen, keuchen und ihre letzten Kräfte
mobilisieren.

                  **~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~**

Hans Peter Roentgen ist Autor der Bücher "Vier Seiten für ein
Halleluja" über Romananfänge und "Drei Seiten für ein Exposé".
Außerdem hält er Schreibkurse und lektoriert.


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VERLAGSPORTRAIT:
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                            (redaktion at team pt autorenforum pt de)

elbaol verlag hamburg
E. Balsewitsch-Oldach
Eulenstraße 51
22765 Hamburg
Fon & Fax: (0 40) 27 86 11 88
Mobil: (01 60) 7 85 10 52
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http://www.elbaol-verlag-hamburg.de


Die Gründerin Ellen Balsewitsch-Oldach führt den Verlag als Ein-
Personen-Unternehmen mit Kompetenzen aus dem regionalen Literatur-
Netzwerk Textfabrique51, dessen Gründungsmitglied sie ist
(http://www.textfabrique51.de). Außer als Verlegerin arbeitet
Balsewitsch-Oldach selbst als Autorin und als freie Journalistin
(http://www.elbaol.jimdo.com).


         Verlagsgeschichte

Nach der Gründung des Verlags im Jahr 2004 veröffentlichte der elbaol
verlag für printmedien (so die damalige Bezeichnung) ganz "familiär"
die ersten Anthologien mit Beiträgen von Mitgliedern verschiedener
Autorengruppierungen. Das damit verbundene "learning by doing" und das
Interesse einiger Autoren an einer Einzelveröffentlichung im elbaol
verlag führte dazu, dass der Verlag 2008 den "Sprung in die
Öffentlichkeit" wagte - mit eigenem Internetauftritt, Präsenz auf der
Leipziger Buchmesse und anderen Werbemaßnahmen. Seitdem wächst das
Verlagsprogramm langsam, aber stetig, ebenso wie das Interesse der
LeserInnen.


         Die Philosphie

Lesen, was nicht jede/r liest! Nicht jeder schon veröffentlichte,
bekannte Autor ist auch unbedingt ein guter Schriftsteller - und
beileibe nicht jeder gute Schriftsteller wird auch veröffentlicht.

Der elbaol verlag hamburg bringt bewusst die Werke noch unbekannter
Autoren heraus und veröffentlicht Themen und Literaturformen abseits
des "mainstreams": Lyrik und Kurzprosa, Anthologien und ungewöhnliche
Roman- und Krimi-Themen, damit ein wichtiger Teil unserer
zeitgenössischen Literatur nicht im Verborgenen bleibt oder verloren
geht.

Das Programm umfasst die Editionen:
- CRIMETIME, hier kommen Krimi-Freunde zu ihrem Recht
- KURZ & GUT, Anthologien und Kurzprosa-Bände einzelner Autoren -
abwechslungsreiche Häppchen auf einem vielfältigen literarischen
Büfett
- GRENZGÄNGER, Romane und Lebensgeschichten zu ungewöhnlichen Themen
und / oder aus einer ungewöhnlichen Perspektive
- LYRIK, zeitgemäße Poesie von abstrakt bis zärtlich-erotisch

Außerhalb jeglicher Edition verirrt sich auch schon einmal ein Titel
ins Programm, der allgemein für Schreibende interessant sein könnte,
zum Beispiel ein Buch mit praktischen Schreibanstößen für Autor/Innen
mit Schreibblockade.


         Welche Autoren wurden bisher verlegt?

Zum Beispiel Monika Buttler, E. H. Beilcke, Angelika Flotow,  Maren
Schönfeld, Gerhard Bröcker,  Dr. Julius Franzot, Lukas Stoermer, Dr.
Margitta Lambert, Dirk Becker, Manfred F. Kolb.


         AutorInnen gesucht?

Alle Manuskripte, die ins Verlagsprogramm passen (!), sind herzlich
willkommen - wegen (erfreulicher) Arbeitsauslastung in allen Editionen
muss der Verlag aber hinsichtlich Manuskriptprüfung und -beratung
jeweils um ein wenig Geduld bitten!


         Konditionen

Der elbaol verlag hamburg schließt mit seinen Autoren Verträge für
zunächst fünf Jahre (Verlängerung / vorzeitige Beendigung u. U.
möglich). Für diese Zeit übertragen die Autoren dem Verlag zwar
exklusiv, aber nur insoweit die Vervielfältigungs- und
Verbreitungsrechte, wie der Verlag sie für die Veröffentlichung und
den Vertrieb dieser einen vereinbarten Ausgabe rechtlich benötigt. Im
Übrigen verbleiben die Rechte bei den Autoren. Nach Ablauf der
Vertragslaufzeit können die Werke also noch anderweitig verwenden (zum
Beispiel nach entsprechender Bearbeitung als Hörbuch, Theaterstück
oder Drehbuch).

Das Autorenhonorar für über den Buchhandel verkaufte Exemplare des
jeweiligen Titels beträgt im Regelfall rund 5 Prozent vom
Buchhandelspreis und wird einmal jährlich abgerechnet und ausgezahlt.

Ein individuelles Marketing-Konzept entwickeln Verlag und Autor
gemeinsam.

Für nähere Informationen über den Ablauf einer Veröffentlichung und
andere Details können Interessierte gern die Informationsbroschüre für
Autor/Innen per E-Mail anfordern: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. oder über das
Kontaktformular auf www.elbaol-verlag-hamburg.de. In Kürze kann die
Broschüre auch als pdf-Datei von der Webseite herunter geladen werden.

Einsendung von Manuskripten bitte per E-Mail mit Anhängen im doc- oder
pdf-Format, Umfang: Exposé, Textprobe von 20 bis 30 Seiten und
Kurzvita, ggf. mit Bibliografie.


         Was ist Ihnen besonders wichtig?

Neben der schon genannten Verlagsphilosophie: gute Vertriebswege für
die Verlagstitel zu finden bzw. auszubauen; diejenigen LeserInnen und
Buchhandelsgeschäfte aufmerksam zu machen, die verstanden haben, dass
Bestseller und "Kasse" von den Großen unter den Verlagen und
Buchhändlern gemacht werden, Literatur jedoch - nicht immer
nobelpreisverdächtig, aber thematisch und literarisch interessant und
in der heutigen Zeit wichtig - mehr und mehr von den kleinen Verlagen
publiziert wird.


         Zukunftspläne, Perspektiven

Ein Teil der Zukunft hat für den elbaol verlag hamburg gerade
begonnen: Alle Printausgaben seiner Titel können nun auch als E-Book
formatiert und für die gängigsten Lesesysteme angeboten werden.

Auch die Produktion und den Vertrieb von Hörbüchern würde der Verlag
gern in sein Repertoire aufnehmen. Zurzeit recherchiert er die
entsprechenden Möglichkeiten.

In diesem Jahr wird außerdem die Aufnahme einer "Edition KLIMA" zur
Debatte stehen - eine Edition mit konstruktiven Beiträgen von
Sachbuch- und Belletristik-Autoren im Verein KLIMA e. V., der u. a.
Mobbing-Betroffene unterstützt und Konfliktlösungen entwickelt
(http://www.klimaev.de).

Und übrigens: Falls das Verlagskonzept auch bekannte(re) Autor/Innen
überzeugen sollte - bei elbaol würde man sich darüber freuen!


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UNSERE EXPERTINNEN UND EXPERTEN:
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Bitte schickt den ExpertInnen nur Fragen zu ihrem Expertenthema -
keine Manuskripte zur Beurteilung.

Bitte verseht jede Anfrage mit einem aussagekräftigen Betreff. Sonst
kann es sein, dass die Mail vorsichtshalber sofort gelöscht wird.


Drehbuch: Oliver Pautsch
                            drehbuch at experte pt autorenforum pt de
Fandom: Thomas Kohlschmidt
                              fandom at experte pt autorenforum pt de
Fantasy: Stefanie Bense
                             fantasy at experte pt autorenforum pt de
Heftroman: Arndt Ellmer
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Historischer Roman: Titus Müller
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Kinder- und Jugendbuch: Michael Borlik
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Kriminalistik: Kajo Lang
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Lesungen: Rüdiger Heins
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Lyrik: Martina Weber
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Sachbuch: Gabi Neumayer
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Schreibaus- und -fortbildung: Uli Rothfuss
                         fortbildung at experte pt autorenforum pt de
Schreibgruppen: Ute Hacker
                      schreibgruppen at experte pt autorenforum pt de
Schreibhandwerk: Ute Hacker
                     schreibhandwerk at experte pt autorenforum pt de
Sciencefiction: Andreas Eschbach
                            sf-autor at experte pt autorenforum pt de
Übersetzung: Barbara Slawig
                       uebersetzerin at experte pt autorenforum pt de
Verlagswesen: Bjørn Jagnow
                        verlagswesen at experte pt autorenforum pt de

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Experten-Special:
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Bjørn Jagnow hat seine Fragen und Antworten zu den Themen
Urheberrecht, Verlagswesen und Vermarktung der letzten Jahre gesammelt
- thematisch sortiert und aktualisiert:

"Urheberrecht, Verlagswesen und Vermarktung für Autoren 2012", 2009,
E-Book, 2,99 Euro, http://www.amazon.de/gp/product/B007VD3OL6/


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FRAG DEN EXPERTEN FÜR HISTORISCHEN ROMAN:
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    Titus Müller (historischer.roman at experte pt autorenforum pt de)


Frage:
Ich schreibe derzeit einen zeitgenössischen Roman über [...]. Es
handelt sich um Personen, die möglicherweise heute noch leben und sich
durch eine falsche Darstellung eventuell verunglimpft fühlen. Da über
den Charakter der Offiziere dieser Einheit [...] nichts bekannt ist,
werden ihnen von mir bestimmte (erfundene) Wesenszüge zugeschrieben.
Der Leser kann sich in die Zeit nur dann hineinversetzen, wenn sie
authentisch erzählt wird, will heißen, mit den tatsächlichen Namen der
Personen, die damals gelebt haben. Ausgedachte Namen wirken unecht.
Jeder kann nachlesen, dass der Regimentskommandeur nicht [...] hieß.

Verleumdungs-/Rufmordklagen etc. von Angehörigen möchte ich im Vorfeld
schon kategorisch ausschließen. Insbesondere, wenn man über die
Thematik Deutsch-Sowjetischer Krieg schreibt, die sofort mit
Vernichtungskrieg, Völkermord und Kriegsverbrechen assoziiert wird.
Welche Lösung gibt es aus diesem Dilemma? Nur mit rein fiktiven
Personen arbeiten?


Antwort:
Es erstaunt mich, dass du schreibst, ausgedachte Namen würden unecht
wirken. Seit Jahrhunderten arbeiten Romanautoren mit ausgedachten
Namen, und die Leser halten die Figuren trotzdem für so real, dass sie
wegen ihnen Stunde um Stunde zittern und heulen, sich in sie verlieben
oder sie hassen. Warum hast du Angst vor der Fiktion? Das klingt mir
danach - wenn ich einmal den Manuskriptdoktor heraushängen lassen darf
-, als müsstest du dir noch einmal gut überlegen, ob du einen Roman
oder ein Sachbuch über die Infanterieeinheit schreiben willst.

Völlig einleuchtend, dass du nicht über lebende Personen schreiben und
ihnen etwas andichten kannst, was sich im destruktiven Kriegsgeschehen
rings um Vergewaltigung, Töten von Zivilisten und rohen Manieren
bewegt.

Mein Rat wäre, sogar die Infanterieeinheit umzubenennen. Im Nachwort
zum Roman kannst du dann schreiben, dass du deine fiktive
Infanterieeinheit an diese bestimmte reale Einheit angelehnt hast.

Mach dir keine Sorgen, dass Leser die Namen nachrecherchieren und
deinen Roman nicht mehr mögen, nur weil du den Bataillonskommandeur
umbenannt hast. Im berühmten und überaus erfolgreichen Roman "Choral
am Ende der Reise" von Erik Fosnes Hansen, der von den Musikern der
Titanic erzählt, heißen die Protagonisten auch anders als die
wirklichen Musiker, und es sind fiktive Biographien erzählt. Niemand
hat sich daran gestört.

Mut zum Roman! Mitunter steckt in der fiktionialisierten Geschichte
mehr Wahrheit als im Faktenaufzählen der Historiker. (Schreibt ganz
frech einer, der selbst Geschichte studiert hat 
)

                  **~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~**

Kappadokien, 800 n. Chr.: Zehntausend Menschen leben in der geheimen
unterirdischen Stadt Korama. Sie haben hier Zuflucht gefunden vor den
Arabern, die das Land erobert haben. Arif, der Sohn eines arabischen
Hauptmanns, entdeckt bei einem Streifzug das Christenmädchen Savina
und verliebt sich Hals über Kopf in sie. Ein neuer Roman von Titus
Müller: "Der Kuss des Feindes".


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FRAG DIE EXPERTIN FÜR FANTASY:
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          Stefanie Bense (fantasy at experte pt autorenforum pt de)

Frage:

Meine Protagonistin ist auf der Suche nach ihrer Schwester und deckt
detektivisch die Hintergründe ihres Verschwindens auf. Das führt dazu,
dass die Fantasy-Welt, in der die Schwester gefangen gehalten wird und
von der die Protagonistin erst nach und nach erfährt, erst im Laufe
der Geschichte (fast in der Mitte des Buches) in Fokus kommt. Vorher
ahnen wir nur, dass es noch eine andere Welt gibt. Meine Befürchtung
ist nun, dass dies viel zu spät ist, auch wenn es für die Entwicklung
der Geschichte wichtig ist.

Glauben Sie, dass dies für Verlage ein Grund wäre, die Geschichte
abzulehnen? Gibt es Beispiele, bei denen es funktioniert hat?


Antwort:
Deine Beschreibung deutet darauf hin, dass es eine parallele Fantasy-
Welt gibt, die neben der "Realität" der Hauptfigur existiert. Weiß
deine Hauptfigur darüber Bescheid, oder entdeckt sie erst im Laufe der
Story, dass es noch mehr als ihre Realität gibt?

a) Falls sie Bescheid weiß, muss das früh klar gemacht werden. Heißt:
Sie muss mit der Parallelwelt umgehen, als sei sie selbstverständlich.
Das Selbstverständliche ("Stecker in die Steckdose stecken, bevor Sie
das Gerät in Betrieb nehmen") wird häufig nicht sofort erwähnt oder
beschrieben. Doch für den Leser ist es wichtig, dass - wenn Fantasy
vorn auf dem Cover steht - auch ersichtlich wird, dass Fantasy drin
ist.

Lösungsmöglichkeiten:

1. Auf dem Covertext deutlich machen, dass die Fantasy-Welt erst spät
in die Realität einbricht; außerdem den Zusammenhang klarstellen.
Warum existieren sie nebeneinander?

2. Einen Prolog vorschalten, in dem die Schwester in die Fantasy-Welt
entführt wird (damit wird natürlich schon viel verraten).

3. In der Story die Hauptfigur in der Realität an die Fantasy-Welt
denken lassen, kleine Begebenheiten (die für die Story, eventuell für
die Detektivarbeit wichtig sind) in der Fantasy-Welt spielen lassen
oder Elemente der Fantasy-Welt in die Realität kommen lassen.


b) Falls sie nicht Bescheid weiß, dass eine parallele Fantasy-Welt
existiert, muss sie den Leser bei der Entdeckung mitnehmen.

Lösungsmöglichkeiten:

1. Auf dem Covertext deutlich benennen, dass sie nur an die Realität
glaubt, aber ihr Weltbild massiv erschüttert wird, denn sie muss
erfahren, dass ihre Schwester in einer Fantasy-Welt ..., die parallel
existiert, weil ...

2. In der Story die Hauptfigur kleine Unsicherheiten in der Realität
entdecken lassen. Etwas ist ungewöhnlich, anders als sonst,
erstaunlich oder erschreckend, unheimlich, rational nicht erklärbar
oder völlig unglaubwürdig. Immer wieder begegnen ihr Dinge, Wesen,
Ereignisse, die sie an der Realität zweifeln lassen. Wenn ich dich
recht verstehe, schreibst du aus der Perspektive der Hauptfigur. Dann
weiß der Leser genauso viel oder wenig wie sie und kann mit ihr die
Brüchigkeit der Realität und die Lebendigkeit der Fantasy-Welt Stück
für Stück erfahren. Trotzdem solltest du dich fragen: Was tun die
Fantasy-Welt-Antagonisten, die ihre Schwester entführt haben, um die
Hauptfigur von der Fantasy-Welt fernzuhalten? Was unternehmen sie, um
die Schwester zu verstecken? Das rührt an Grundsätzliches: Wie und
wodurch ist deine Fantasy-Welt zugänglich? Wie kommt man da hin? Zu
welchem Preis? Wer bewacht / schützt / entscheidet über den Zugang?)
Wie versuchen die Antagonisten zu verhindern, dass die Fantasy-Welt
entdeckt wird? Und bedenke die Konsequenzen, denn jede Handlung hat
mindestens eine, in der Regel eine ganze Folge von Konsequenzen.

Beispiel:
Die Antagonisten zerstören den nächstgelegenen Zugang zur Fantasy-
Welt, damit die Hauptfigur ihn nicht nutzen kann, damit zerstören sie
das Gleichgewicht zwischen Realität und Fantasy-Welt, das "Gefüge"
zerbricht oder löst sich auf oder versucht massiv, zum
Ursprungszustand zurückzukehren, unter Einsatz aller Kräfte können sie
den Zugang geschlossen halten, aber dann bricht er mit Macht auf /
aber dann bildet sich an anderer Stelle ein neuer, über den sie keine
Gewalt haben / aber dann ...  und macht durch sein Erscheinen die
Hauptfigur erst recht aufmerksam auf die Fantasy-Welt (kann sich z. B.
in Wetterphänomenen, Farbspielen, Wahrnehmungsverschiebungen etc.
darstellen), also müssen die Antagonisten jetzt die Hauptfigur direkt
hindern, dazu kommen sie mit ihr Kontakt ...

So etwa baust du eine Ursache-Wirkung-Reihenfolge auf, die es
ermöglicht, die Hauptfigur langsam, aber schon von Anfang an mit der
Fantasy-Welt zu konfrontieren. Deine Hauptfigur kann ja auch leugnen,
dass es so etwas wie diese Parallelwelt gibt. Dann wird sie die
Fantasy-Anzeichen erst nach und nach akzeptieren.

3. Einen parallelen Handlungsstrang aus der Fantasy-Welt erfinden.
Möglich:
- Was tut die Schwester, um den Entführern zu entkommen / um die
Protagonistin fernzuhalten, weil die Schwester in der Fantasy-Welt
bleiben will?
- Was tun die Antagonisten, um die Schwester zu entführen und zu
verstecken?
- Was unternehmen die Gegner der Antagonisten in der Fantasy-Welt, um
die Entführung rückgängig zu machen?
- Wie könnten Wächter (z. B. des Tors, des Gefüges, des
Gleichgewichts) eingreifen? Gehen sie gegen die Antagonisten, gegen
die Schwester oder Hauptfigur vor? ...

Überdenke deine Plotkonstruktion! Schreibst du Urban Fantasy, dann
sind Fantasy-Welt und Realität verschränkt. Deine Hauptfigur kann die
Fantasy-Ebene nach und nach entdecken, aber anderen muss die Fantasy-
Welt ganz geläufig sein. Sie existiert nicht versteckt, die Hauptfigur
hatte nur bislang keinen Kontakt.

Schreibst du Fantasy, ist die Fantasy-Welt das Hauptsetting. Dann
sollte die Hauptfigur entweder direkt in die Fantasy-Welt verschlagen
werden oder spätestens am Ende des ersten Viertels (1. Wendepunkt).

Nebenbei frage ich mich, wer eigentlich die interessantere Figur ist
und wer die spannendere Story zu erzählen hat. Die Hauptfigur, die der
Schwester nachjagt? Oder die Schwester, die entführt wird und sich
wehren muss? Wenn du bei deiner Hauptfigur bleiben willst, dann
benötigt sie ein sehr sehr starkes Motiv, um die Schwester
wiederfinden zu wollen (etwa, dass sie der Hauptfigur Knochenmark
spenden muss, sonst stirbt die Hauptfigur). Es muss etwas sehr viel
Existentielleres sein als Schwesternliebe. Bliebe ja immer noch die
Möglichkeit, zwei parallele Handlungsstränge zu verknüpfen: eine
Detektivstory mit der Perspektive Hauptfigur und eine Eine-gegen-alle-
Story mit der Perspektive Schwester.

Verlage lehnen Manuskripte ab, wenn sie keine Verkaufschancen sehen
oder meinen, zu viel Arbeit in das Projekt stecken zu müssen, bis es
marktreif ist. Wenn du deine Geschichte spannend, originell und gut
strukturiert schreibst (also bewusst die Fantasy-Welt erst spät
auftreten lässt, weil es in dieser Struktur keine andere Lösung gibt,
weil der Erzählstrang es so braucht, weil es handwerklich nicht anders
geht), dann lehnen sie nicht ab, wenn die Fantasy-Welt spät in
Erscheinung tritt.

Ich kenne aus dem Stand keinen Beispielroman, in dem die Fantasy-Welt
später als zum Ende des ersten Viertels eingeführt wird. Kai Meyer hat
in seiner Arkadien-Trilogie recht gut Realität und Fantasy
verschränkt, aber auch da bricht die Fantasy früher ein.


                  **~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~**

Stefanie Bense lebt und arbeitet in Emden, gibt Schreibkurse und führt
eine Roman-Werkstatt, http://www.romantisch.essdeh.de, veröffentlicht
sporadisch und schreibt an ihrem dritten Roman.


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FRAG DEN EXPERTEN FÜR VERLAGSWESEN:
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         Bjørn Jagnow (verlagswesen at experte pt autorenforum pt de)


Frage:
Vor einiger Zeit habe ich mit einer Kurzgeschichte einen Wettbewerb
einer Studentenzeitschrift gewonnen. Es gab einen Geldpreis, und die
Geschichte wurde von einer regionalen Tageszeitschrift gedruckt, wofür
ich auch ein Honorar bekommen habe.

Jetzt möchte ich diese Geschichte in einer Kurzgeschichtensammlung
(BoD) bringen. Hat die Studentenzeitschrift oder die Tageszeitschrift
irgendwelche Rechte, die ich beachten muss? Also: Muss ich um
Genehmigung nachfragen, bevor ich meine Geschichte anderweitig
veröffentliche?


Antwort:
Ich vermute, dass Sie keinen ausformulierten Vertrag abgeschlossen
haben, sondern die Veröffentlichung in der Tageszeitung "irgendwie"
Teil des Wettbewerbs war. Wenn es einen schriftlichen Vertrag gibt,
dann sollte dort stehen, ob die Veröffentlichung exklusiv /
ausschließlich oder nicht-exklusiv / nicht-ausschließlich vereinbart
wurde. Bei exklusiver Veröffentlichung darf der Text nicht wieder
veröffentlicht werden, solange der Vertrag läuft.

Gibt es keinen schriftlichen Vertrag, dann gelten die
Wettbewerbsbedingungen (falls dort etwas geregelt wurde) oder im
Zweifel die Regeln des Verlagsgesetzes. Und die sehen leider exklusive
und auf unbegrenzte Zeit gewährte Nutzung vor. Die meisten Zeitungen
haben inzwischen auch ein Online-Archiv, so dass man nicht einmal mehr
damit argumentieren kann, dass der Verlag den Text nicht mehr nutzt.

Andererseits kann man natürlich bei der Zeitung anfragen, ob Einwände
gegen eine erneute Veröffentlichung bestehen.

                  **~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~**

Bjørn Jagnow ist Schriftsteller, Verlagsfachwirt, Verlagskaufmann und
Buchhändler. Unter http://bjoernjagnow.blogspot.com/ bloggt er über
die Zukunft der Medien, über Rollenspiele und andere Themen.


+++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++
Veranstaltungen, Ausschreibungen, Publikationsmöglichkeiten, Messen
und Seminare findet ihr im zweiten Teil des Tempest, der mit
getrennter Mail kommt
+++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++

Einsendeformalien:
Einsendungen sind zu allen Rubriken von autorenforum.de - nach
Rücksprache - erwünscht. Das Urheberrecht verbleibt bei der Autorin
bzw. beim Autor.

Einsendungen bitte im RTF-Format und per E-Mail, und zwar an:
beitrag at team pt autorenforum pt de.

Fragen zu Einsendungen sollten ebenfalls an diese Adresse gerichtet
werden.

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                      I M P R E S S U M
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Herausgeber:
 Ramona Roth-Berghofer public.relations at team pt autorenforum pt de
 Gabi Neumayer                redaktion at team pt autorenforum pt de
 Stefan Schulz                     webmaster at autorenforum pt de
 Thomas Roth-Berghofer
                  Thomas.Roth-Berghofer at team pt autorenforum pt de
 Jürgen Schloßmacher
                  juergen.schlossmacher at team pt autorenforum pt de
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The Tempest: Vorschau auf die aktuelle Ausgabe

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Ausgabe 26-04 (vom 20. April 2024)

TEIL 1 (Schreiben und Veröffentlichen):

   Editorial
   Hall of Fame
   Neues aus der Buchszene
   Autorenwissen
     „Lektorat: KI und Goethe“
     von Hans Peter Roentgen
   Buchbesprechung
     „Kreativität“ von Melanie Raabe
     besprochen von Meike Blatzheim
   Impressum

TEIL 2 (Info) (nur im kostenlosen Abonnement):

Veranstaltungen
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Publikationsmöglichkeiten
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