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04 Das Storyboard

von Crawford Kilian (übers. von Thomas Roth-Berghofer)

Das Storyboard wird normalerweise von Film und Fernsehen zum Arrangieren von Bildabfolgen benutzt. Du kannst das Storyboard natürlich auch für Deinen Roman benutzen. Es kann sehr hilfreich sein, den Handlungsablauf zu organisieren.

Normalerweise denken wir nicht in Handlungsabläufen. Wir haben eine Idee für eine Geschichte (Immigrantenjunge gründet eine Familiendynastie in der Wildnis von Nevada) und verschiedenste Bilder im Kopf (Begegnung mit einem Grizzlybären; ein wilder Ritt, um den Sohn von Kidnappern zu retten; eine wunderschöne Blondine schwimmt nackt im eisigen Strom; ein Showdown mit Gangstern der Ostküste, die das Land für den Bau eines Kasinos haben wollen). Wie kommen wir nun von diesen Fragmenten zu einem zusammenhängenden Handlungsablauf?

Einen Brief an sich selbst zu schreiben (siehe Kapitel...) könnte helfen. Aber versuche es erst einmal hiermit:

Nimm einen Stapel Karteikärtchen und schreibe auf je ein Kärtchen eine einzelne Szene oder beschreibe ein Bild. Die Reihenfolge ist dabei völlig uninteressant.

So ein Kärtchen könnte folgendermaßen aussehen:

Jesse reitet in die Stadt. Er konfrontiert Caleb Black mit dessen betrügerischen Vertrag. Caleb bestreitet alles und droht Jesse zu erschießen, wenn er darüber spricht.

Wenn Du nun fünf, zehn oder zwanzig solcher Karten hast, lege sie in der Reihenfolge vor Dich hin, in der sie Deiner Meinung nach in der Story auftauchen sollen. Sicherlich hast Du nicht für jede Szene im Roman eine solche Karte, aber Du hast die Szenen, die Dein Unterbewußtsein für notwendig hält.

Du hast auch zahllose Lücken. Wie kommt Jesse von seiner Silbermine in Nevada an Deck der Titanic? Wie kommt Caleb in Kontakt mit den drei angeheuerten Killern von San Franzisko? Wie antwortet Jesses Enkel auf das erste Angebot der Gangster, die ein Kasino auf dem Land der alten Mine errichten wollen?

Wende Dich nun diesen Lücken zu, und neue Ideen werden Dir kommen. Das bedeutet, weitere Karten anzulegen. Möglicherweise sind einige neue Ideen besser als die alten, welche dann in den Müll wandern. Neue Figuren werden sich herausbilden, die entsprechende Funktionen in der Handlung erfüllen. Deine Forschungen in der Geschichte Nevadas werden weitere Szenen erfordern, welche wiederum in den einen oder anderen Teil des Romans einfließen. Der Stapel wird größer und größer.

Möglicherweise soll die Handlung als eine Serie von Rückblicken enden, aber das Storyboard sollte sich vollständig an die chronologische Ordnung halten. Vielleicht spielt die Handlung innerhalb einer dreistündigen Belagerung eines abgelegenen Hotels, vielleicht erstreckt sich die Handlung aber auch über ein ganzes Jahrhundert und einen Kontinent. Wie auch immer die Realzeit der Story aussieht, es könnte sein, daß sich die Karten ganz natürlich um gewisse Perioden des Handlungsablaufs verdichten. Dann besteht keine Notwendigkeit für zusätzliche Ereignisse, diese Löcher zu stopfen. Das ist gut so. Möglicherweise hast Du schon eine natürliche Unterteilung in Kapitel und Abschnitte gefunden.

Frage Dich immer nach dem Warum? Warum Nevada? Warum eine Mine? Warum eine gutaussehende nackte Blondine? Behalte keine Szene im Storyboard, die Du nicht rechtfertigen kannst. Die Szene muß die Persönlichkeit bzw. den Charakter einer Figur dramatisieren, die Handlung vorantreiben, der Handlung Glaubwürdigkeit verleihen. Welchen Sinn hat die Szene, in der Jesses große Liebe Sophia nackt in einem eisigen Fluß schwimmt und dabei fast ertrinkt. Sobald Du die Hauptreihenfolge der Ereignisse klar auf den Karten ausgearbeitet hast, kannst Du anfangen, das ganze in eine besser handhabbare Form (Handlungsabriß, Exposé) zu bringen. Dazu in einem späteren Kapitel mehr.

Stand: 2002-09-22

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