The Tempest

Ausgabe 14-07 (20. Juli 2012)

Editorial
Hall of Fame
Schreib-Kick
Lesetipps
Echo-Service
Spannung, der Unterleib der Literatur
   "Bennis Schwur"
   Text: anonym, Lektorat: Hans Peter Roentgen
Interview mit Angelika Lauriel
Verlagsportrait
   "AAVAA Verlag"
Frag die Expertin für Fantasy
   (Stefanie Bense)
Frag den Experten für Verlagswesen
   (Bjørn Jagnow)

EDITORIAL:
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Liebe Autorinnen und Autoren,

Sommerloch? Nicht mit uns! Mit dem Tempest wird einem auch bei Regen
und 15 Grad warm. Zum Beispiel mit dem neuen Spannungslektorat von
Hans Peter Roentgen, der diesmal einen sehr gelungenen Text
präsentiert. Oder mit dem Interview mit Angelika Lauriel, das Ramona
und Thomas Roth-Berghofer geführt haben. Herzerwärmend auch die
interessanten Tipps unserer ExpertInnen. Und wer den Lese- und
Schreibtipps folgt, bekommt sogar warme Finger.

Solltet ihr angesichts des Regens nach der Lektüre des Tempest nicht
so recht wissen, was ihr mit eurer freien Zeit anfangen sollt: Wie
wäre es mit lesen? Zum Beispiel die neuen Romane der Tempest-
MacherInnen: den neuen Thriller unserer HerausgeberInnen, "Engelspakt"
(von Alex Thomas), den historischen Jugendroman unseres Experten Titus
Müller, "Der Kuss des Feindes", oder "Der Plotter" von unserem Lektor
Hans Peter Roentgen ...

Der Tipp des Monats Juli, diesmal von mir:

    Mit CardBoard Index Cards kann man auf Android-Tablets Tafeln
    mit Karteikarten ersetzen. Weil man jede Karte in beliebig
    vielen Ansichten nutzen kann, ist das Ausprobieren von Varianten
    sehr einfach. Neben der App selbst gibt es auch ein Add-on
    für Romane. CardBoard Index Cards:
https://play.google.com/store/apps/details?idÞ.woinowski.car
dboard, CardBoard Novels:
https://play.google.com/store/apps/details?idÞ.woinowski.cardboard.a
ddon.novel

Ihr könnt eure freie Zeit natürlich auch gern dafür nutzen, uns
Material für den Tempest zu schicken (Tipps, Artikelvorschläge, Kicks
...). Und auch ein Gang zur Bank für eine Überweisung an den Tempest
kann einen wunderbar aufwärmen.

Viel Spaß mit unserem Sommer-Tempest!

  Gabi Neumayer
  Chefredakteurin

Und hier noch mal ein wichtiger Hinweis in eigener Sache
Unser neues Konto für eure freiwilligen Beiträge (s. u.) läuft NICHT
auf den Namen "autorenforum.de", sondern auf "Jürgen Schloßmacher",
der unser Team als neuer Mitherausgeber verstärkt.

~~~~~~~~~~~
Damit wir den Tempest auch in Zukunft weiterführen können, brauchen
wir eure Hilfe: Wer uns unterstützen möchte, überweise bitte einen
freiwilligen Jahresbeitrag (15 Euro haben wir als Richtwert gesetzt,
aber ihr helft uns auch schon mit 5 oder 10 Euro weiter) auf das
Konto:

Jürgen Schloßmacher
Kreissparkasse Köln
BLZ 370 502 99
Kto. 11 42 17 61 63
Stichwort: "Beitrag 2012"

Wichtig: Das Konto läuft NICHT mehr auf den Namen "autorenforum",
sondern nur auf "Jürgen Schloßmacher"!

Für AuslandsabonnentInnen: Am 1. Juli 2003 wurden die
Auslandsüberweisungsgebühren gesenkt. Aber natürlich könnt ihr uns
euren Beitrag auch weiterhin per Post schicken (Adresse am Ende des
Tempest).

Wer aus Österreich überweist, braucht außerdem diese Nummern (bitte
genau so zusammenschreiben!)
IBAN: DE16 5509 0500 0100 7245 15
BIC: GENODEF1S01

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
ISSN 1439-4669  Copyright 2012 autorenforum.de. Copyright- und
               Kontaktinformationen am Ende dieser Ausgabe
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 INHALT DIESER AUSGABE:


TEIL 1:

    Editorial
    Hall of Fame
    Schreib-Kick
    Lesetipps
    Echo-Service
    Spannung, der Unterleib der Literatur
       "Bennis Schwur"
       Text: anonym, Lektorat: Hans Peter Roentgen
    Interview mit Angelika Lauriel
    Verlagsportrait
       "AAVAA Verlag"
    Frag die Expertin für Fantasy
       (Stefanie Bense)
    Frag den Experten für Verlagswesen
       (Bjørn Jagnow)
    Impressum


TEIL 2:

    Veranstaltungen
    Ausschreibungen
    Publikationsmöglichkeiten
         mit Honorar
         ohne Honorar
    Seminare
    Messekalender
    Impressum


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HALL OF FAME:
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                            (redaktion at team pt autorenforum pt de)

Die "Hall of Fame" zeigt die Erfolge von AbonnentInnen des Tempest.
Wir freuen uns, wenn ihr euch davon motivieren und ermutigen lasst -
dann werden wir euer neues Buch hier bestimmt auch bald vorstellen
können.

Melden könnt ihr aktuelle Buchveröffentlichungen (nur Erstauflagen!)
nach diesem Schema:

.......
AutorIn: "Titel", Verlag Erscheinungsjahr (das muss immer das laufende
oder das vergangene Jahr sein!), Genre (maximal 2 Wörter). Zusätzlich
könnt ihr in maximal 60 Zeichen (nicht Wörtern!) inklusive Leerzeichen
weitere Infos zu eurem Buch unterbringen, zum Beispiel eine Homepage-
Adresse.
.......
Ein Beispiel (!):

Johanna Ernst: "Der Fall der falschen Meldung", Hüstel Verlag 2009,
Mystery-Thriller. 60 Zeichen - und kein einziges mehr! Inklusive
Homepage!
.......

Ausgeschlossen sind Veröffentlichungen in Anthologien, Bücher im
Eigenverlag und BoDs (sofern sie im Eigenverlag erschienen sind) sowie
Veröffentlichungen in Druckkostenzuschussverlagen.

ACHTUNG!
Schreibt in eure Mail mit der Meldung immer auch hinein, dass ihr
bestätigt, dass die Veröffentlichung weder im Eigenverlag noch in
einem Verlag erschienen ist, bei dem der Autor irgendetwas bezahlt
hat! Als Bezahlung gilt auch, wenn er Bücher kostenpflichtig abnehmen
muss, Lektorat bezahlt o. Ä.

Schickt eure Texte unter dem Betreff "Hall of Fame" an
redaktion at team pt autorenforum pt de.

Wir berücksichtigen ausschließlich Meldungen, die nach dem obigen
Schema gemacht werden und die Bestätigung zum Verlag enthalten.
Änderungsaufforderungen zu Meldungen, bei denen das nicht der Fall
ist, werden ab sofort nicht mehr verschickt!
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Siegfried Langer: "Sterbenswort", List Verlag, Juli 2012, Thriller

Rebecca Michéle: "Abschüssig", Silberburg-Verlag 2012, Krimi. Baden-
Württemberg-Krimi, mehr Info: www.rebecca-michele.de

Alex Thomas: "Engelspakt", Blanvalet 2012, Thriller.
http://www.randomhouse.de/Autor/Alex_Thomas/p378463.rhd


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SCHREIB-KICK:
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                            (redaktion at team pt autorenforum pt de)


Unser Schreib-Kick für den Juli, diesmal von Ursula Schmid-Spreer:

Automatisches Schreiben, Assoziationen, innerer Redefluss:

Alles, was Ihnen durch den Kopf schießt, ohne Pause und ohne
Nachdenken, sollten Sie aufschreiben. Damit können Sie Wahrnehmungs-
und Bewusstseinsschranken überwinden. Schreiben Sie 10 Minuten lang zu
einem Reizwort, Thema, Bild, Gegenstand oder zu laufender Musik.
Prüfen Sie, ob man daraus etwas Interessantes machen kann.


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LESETIPPS:
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                            (redaktion at team pt autorenforum pt de)


http://www.dsfo.de/
Das "Deutsche Schriftstellerforum" existiert seit 2006 und ist seither
vielen Autoren und Nachwuchsautoren eine wertvolle Austausch- und
Informationsquelle. Wenn ihr also mit Gleichgesinnten über das
"Schreiben und Publizieren" diskutieren wollt und ein gutes Forum
sucht, seid ihr hier an der richtigen Stelle.

+++++

http://www.zeit.de/kultur/literatur/2012-05/margaret-atwood-autorin-
literatur/seite-1
Die Bestsellerautorin Margaret Atwood spricht über die Kraft von
sozialen Netzwerken, die Zukunft des gedruckten Buchs und mehr.


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ECHO-SERVICE:
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                            (redaktion at team pt autorenforum pt de)


https://www.facebook.com/groups/autorenwerkstatt/

Autorenwerkstatt auf Facebook: Schaut rein, nehmt Platz, fühlt euch
wohl. Euch erwartet eine aktive und begeisterungsfähige Gruppe von
Autoren und Büchermenschen, die voneinander lernen und miteinander
wachsen wollen. Wir befassen uns vor allem mit konkreter Textarbeit.
Vernetzen uns mulitprofessionell mit Werbeleuten, Presseleuten und
Lektoren oder Verlagen. Machen Mut, trocknen Tränchen oder freuen uns
miteinander über gelungene Werke. Vor allem Profis sind ganz herzlich
eingeladen!


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SPANNUNG, DER UNTERLEIB DER LITERATUR:
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                            (redaktion at team pt autorenforum pt de)

Was macht Romane spannend, und vor allem: Was macht sie langweilig?

Wer Szenen hat, die sie oder er für spannend hält, oder Szenen, bei
denen er sich nicht sicher ist, oder solche, die eigentlich spannender
gestaltet sein sollten, doch die Frage ist: Wie? - wer solche Szenen
hat, kann sie mir schicken.

Ich wähle dann einige aus, die ich im Tempest bespreche. Schickt die
Szenen als E-Mail-Anhang im RTF-Format an: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Bitte nicht mehr als 7.000 Anschläge, also etwa vier Normseiten. Dazu
zählt auch der Vorspann! Da die Szenen aus beliebigen Stellen eurer
Manuskripte stammen dürfen, müsst ihr eventuell die Vorgeschichte der
Szene erklären. Diese Erklärung sollte 400 Anschläge nicht
überschreiten!
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                          "Bennis Schwur"
            Text: anonym, Lektorat: Hans Peter Roentgen


         Vorgeschichte

Eva und Rainer wollen nicht mehr nach Hause, weil sie vom Freund der
Mutter immer wieder brutal geschlagen werden. Sie erhoffen sich Hilfe
von Benni, der sie in einem Schuppen versteckt hat.

++++++++++

Benni hoffte, das Überwachungsfahrzeug werde nicht wieder da oben am
Straßenrand stehen. Sein Herz pochte, als er an die Stelle kam, wo man
bis zu den Blocks hinaufschauen konnte. Der graue Wagen war nicht da.
Benni atmete auf, jedoch es blieben noch Zweifel. Vielleicht stand das
Fahrzeug jetzt irgendwo vor einem Haus, wo man es von der Straße aus
nicht sehen konnte. Aber so sehr er auch seine Augen umherwandern
ließ, es war nichts Verdächtiges zu entdecken.
Hatte der gestrige Tag die zwei Beobachter überzeugt und nun brüteten
sie in ihrem Büro über einer neuen Taktik? Wer weiß.
Auf jeden Fall musste er jetzt handeln, ganz gleich, was dann
passierte.
Benni verzichtete auf das Mittagessen. Er holte die Tüte mit der
Verpflegung aus dem Lichtschacht, und ohne Zeit zu verlieren, schwang
er sich auf sein Fahrrad.
Der Regen hatte den Steilhang am Ufer aufgeweicht. Das Gras glänzte
feucht, und der Boden gab bei jedem Schritt nach. Am Ende schlitterte
Benni nur noch und klammerte sich am Weidengebüsch fest. Von der
unheimlichen Stimmung, die im Dunkeln hier geherrscht hatte, war jetzt
nichts zu spüren.
Gebückt schlich er durchs hohe, nasse Gras, kletterte über den Zaun
und spähte zu dem alten Gebäude hinüber.
Er hoffte nur, dass da drüben alles in Ordnung war.
Ganz vorsichtig drückte er die Tür auf. Trotzdem quietschte sie
jämmerlich. Er blieb einen Augenblick stehen und lauschte. Der Geruch
nach altem Holz und Moder strömte ihm entgegen und in dem verfallenen
Raum neben dem Flur war es jetzt düster und totenstill.
Er schaute zum Treppenloch hinauf und erschrak so heftig, dass sein
Herzschlag einen stolpernden Sprung machte.
Da oben stand Eva, unheimlich und fremd; beinahe wie eine
Geistererscheinung. Ihr Gesicht war grau wie Asche und die Haare
standen ihr wirr vom Kopf ab. Ihre Augen waren gerötet und blickten
auf ihn herunter, als wäre sie irre geworden.
Einen Moment stand Benni da und starrte das Mädchen an.
"Wo warst du so lange?", fragte Eva endlich, und zum Glück war ihre
Stimme die eines kleinen, verängstigten Mädchens geblieben.
"Wo warst du? Wo warst du denn?" Sie wiederholte die Frage mehrere
Male, während sie sich abmühte, die Gerüstbohle durch das Loch nach
unten zu schieben.
Als sie es gemeinsam geschafft hatten, kletterte Benni hoch, so
schnell es ging.
"Was ist mit Rainer?"
"Der ist hinten und spielt", sagte sie. Benni atmete erleichtert auf.
Es war, Gott sei Dank, nichts passiert.
"Warum bist du nicht gekommen?", fragte Eva. Tränen liefen ihr über
die Wangen.
"Es ging nicht", antwortete Benni nur und hatte, da Eva so verzweifelt
und hilflos vor ihm stand, auch mit den Tränen zu kämpfen.
"Wir sind unten am Bach gewesen", sagte Eva. "Wir hatten ja nichts
mehr zu trinken."
Sie gingen hinter ins Giebelzimmer. Dort bekam Rainer als Erstes ein
Stück von der Wurst in die Hand gedrückt. Da ließ er sofort seine
Spielsachen im Stich. Eva bekam auch ein Stück Wurst, und Orangensaft
gab es auch gleich.
Nun saßen sie alle drei am Tisch, und Benni sah den beiden zu, wie sie
kauten und schluckten. Das Weiß ihrer Augen erschien riesengroß in den
schmutzigen Gesichtern.
Benni schnitt zwei Scheiben Brot ab und bestrich sie mit Butter. Er
kippte den restlichen Inhalt der Tüte auf den Tisch und weidete sich
einen Moment lang an Evas staunenden Blicken. Da lagen jetzt zwei
Fischkonserven, Streichwurst in der Dose, ein nun schon
angeschnittener Laib Brot, Butter, Käse, Saft, Milch, ein paar Tüten
Kakao und sogar mehrere Tafeln Schokolade.
"Ich hoffe, ihr mögt auch Käse", sagte er, und Eva nickte, denn
antworten konnte sie nicht. Sie kaute mit vollen Backen.
Nach dem Regen war die Sonne herausgekommen. Sie stand schon tief und
hatte das kleine Giebelfenster erreicht. Erste Strahlen fielen schräg
herein. Staubpünktchen tanzten im hellen Licht, und die Esswaren, die
aufgehäuft auf dem Tisch lagen, glänzten wie im beleuchteten
Schaufenster. Es sah alles so friedlich aus, aber diese Stimmung
täuschte, das wussten Benni und Eva wohl sehr genau.
"Ich hab schon gedacht", fing Eva an, "dass ich den Rainer heimlich
nach Hause bringe. Ich könnte ihn ja einfach in den Hausflur stellen
und wieder abhauen. Aber was wird der Max mit ihm machen? Das ist es,
was ich nicht weiß und was es so schwer macht. Ich selber geh nicht
mehr nach Hause. Ich weiß noch nicht, wo ich hingehen werde. Aber hier
werden wir auch nicht bleiben können. Wir können uns ja nicht waschen.
Alles klebt, alles juckt." Dabei versuchte sie vergeblich, ihre Haare
zurechtzustreichen.
"Und diese Angst in der Nacht", fuhr sie fort, "wenn es knackt und
trippelt und trappelt und huscht und springt, und ein Tier quietscht
ganz jämmerlich. Ich werd das nicht mehr lange aushalten können."
Je länger Eva redete, umso verzweifelter war Benni darüber, dass ihm
noch keine endgültige Lösung eingefallen war. Vielleicht, so dachte
er, gab es jemanden, der eventuell eine gute Lösung wüsste. Dabei
hatte er schon seit einiger Zeit eine ganz bestimmte Person im
Gedächtnis. Aber der Schwur!, dachte er dann. Der Schwur war bindend,
das wusste er. Doch wenn Eva und ihr Bruder nicht wieder nach Hause
mussten, war der Schwur ja nicht gebrochen!
"Einen, zwei, höchstens noch drei Tage müsst ihr aushalten, dann habe
ich bestimmt eine Lösung", sagte er. "Ich werde aber jemand einweihen
müssen, anders wird’s nicht gehen."
"Und was ist mit deinem Schwur?", fragte Eva. "Du wolltest uns doch an
niemand verraten."
"Ja, schon", antwortete er, "aber der Schwur ist ja nicht gebrochen,
wenn ihr nicht wieder nach Hause müsst. ... Oder siehst du das
anders?"
"Dann ist es mir gleich", sagte Eva und versuchte sogar ein Lächeln.
"Dass ihr nicht zu diesem blöden Max zurück müsst, das verspreche ich
dir 
immer noch. Oder soll ich das nochmals schwören?"
"Nein, nein, musst du nicht. Ich glaub es dir auch so", sagte Eva. Sie
sah ihn an, hatte jedoch, trotz ihrer Beteuerung, eine Spur Zweifel im
Blick.
Doch ganz ohne Hoffnung war sie jetzt nicht mehr, als Benni die beiden
verließ. Es war schon dunkel geworden.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

                  Lektorat von Hans Peter Roentgen

Wie immer als Erstes meine Frage: Finden Sie den Text spannend?

Ich fand ihn spannend. Und da ich diesmal wenig zu meckern habe,
möchte ich vor allem die Dinge beleuchten, mit denen der Autor die
Spannung in den Text holt.

Das Wichtigste ist: Der Autor erzählt vorwärts, er lässt die Handlung
und die Figuren sprechen. Er erklärt die Handlung dem Leser nicht, der
Leser muss sich sein eigenes Urteil bilden.


         Show, don't tell

Er beginnt nicht mit einer Erläuterung: "Benni dachte daran, welche
Gefahr die Überwachung durch die zwei Beobachter bringen könnte und
dass er aufpassen müsste, dass sie ihm nicht folgen könnten."

Stattdessen erzählt er: "Benni hoffte, das Überwachungsfahrzeug werde
nicht wieder da oben am Straßenrand stehen. Sein Herz pochte, als er
an die Stelle kam, wo man bis zu den Blocks hinaufschauen konnte. Der
graue Wagen war nicht da."

Auch füttert er den Leser nicht mit jedem Detail der Hütte, des
Baches, des Wegs, den Benni zurücklegt. Stattdessen einige wenige
Details, und die sind nicht passiv:

..........
"Das Gras glänzte feucht, und der Boden gab bei jedem Schritt nach. Am
Ende schlitterte Benni nur noch und klammerte sich am Weidengebüsch
fest."
..........

Alles aktive Schilderungen. Gerade deswegen entstehen beim Lesen
Bilder, und ich habe ein Bild im Kopf, wie der Weg zur Hütte
beschaffen ist und wie es innen aussieht.

Statt dass der Autor behauptet: "Eva Gesicht war dreckig und sie war
fast irr vor Angst", lässt der Autor uns das durch Bennis Augen sehen:

..........
"Ihr Gesicht war grau wie Asche und die Haare standen ihr wirr vom
Kopf ab. Ihre Augen waren gerötet und blickten auf ihn herunter, als
wäre sie irre geworden."
..........

Merken Sie den Unterschied zwischen der Perspektive Bennis im
Originaltext und einer Autorenstimme, die behauptet: "Eva war dreckig
und fast irr vor Angst?"

Dann wiederholt Eva ihre Frage "Wo warst du denn?" mehrmals und zeigt
so dem Leser ihre Angst und Sorge. Show, don't tell.

Ein wenig stört die Gerüstbohle, weil ich mir unter der nur mühsam
etwas vorstellen kann. Ein dicker Balken, auf den Tritte genagelt
sind? Vermutlich.

Dann kommt ein Dialog zwischen Eva und Benni. "Wir sind unten am Bach
gewesen. Wir hatten ja nichts mehr zu trinken."

Sehr viel besser, als wenn uns der Autor mitgeteilt hätte: Eva und ihr
Bruder waren sehr durstig gewesen und hatten deshalb die Hütte
verlassen, um am Bach zu trinken.

Der Dialog ist eindrücklicher als eine Autorenbehauptung, dass Eva
durstig gewesen war. Denn er regt die Phantasie des Lesers an, der
sich vorstellt, wie groß der Durst gewesen sein muss und was das
Mädchen in den vergangenen Tagen ausgehalten haben muss.

Merke: Lassen Sie Ihre Figuren sprechen, stellen Sie sich nie zwischen
Ihre Figuren und Ihre Leser, um denen die Ereignisse zu erklären. Denn
das sind Autorenbehauptungen, damit will der Autor erreichen, dass die
Leser die Geschichte genauso empfinden, wie der Autor sie sich gedacht
hat. Weswegen sich die meisten Leser gegängelt fühlen und längst nicht
die gewünschten Emotionen entwickeln.

Zeigen, nicht behaupten (Show, don't tell), sagte ich es nicht schon?

Dann bekommt Rainer eine Wurst in die Hand gedrückt - und lässt sofort
seine Spielsachen im Stich. Kann man Hunger besser zeigen?


         Bilder wecken

"Das Weiß ihrer Augen erschien riesengroß in den schmutzigen
Gesichtern", mit solchen Sätzen kann ein Autor sofort ein Bild im
Leser wecken. Viel eindrücklicher, als mit einem Satz in der Art:
"Ihre Gesichter waren dreckig ..."

"Er kippte den restlichen Inhalt der Tüte auf den Tisch und weidete
sich einen Moment lang an Evas staunenden Blicken."

Auch das weckt Bilder - aber was ist mit dem ungewöhnlichem, eher
altertümlichen Wort "weidete"? Mich stört es, ich würde es ersetzen.
Doch das ist fast schon eine Frage des persönlichen Geschmacks, denn
so stark stört es denn doch nicht, dass es mir das Lesen vergällen
würde.

"Es sah alles so friedlich aus, aber diese Stimmung täuschte, das
wussten Benni und Eva wohl sehr genau."

Haben wir da nicht eine Autorenbehauptung? Dass Benni und Eva genau
wussten, dass diese Stimmung täuschte?

Sicher. Aber in diesem Fall trägt sie zur Spannung bei. Vorher wurde
sehr gut geschildert, wie die Staubpünktchen im Sonnenlicht tanzen,
die Esswaren in der Sonne glänzten wie im Schaufenster. Worte, die
Bilder wecken. Friedliche Bilder. Und die werden zerstört. Die
friedliche Stimmung täuscht.

Dann Evas Erzählung, dass sie sich überlegt, Rainer heimlich nach
Hause zu bringen. Nur hat sie Angst, was Max mit ihm machen wird. Aber
bleiben kann Eva nicht, alles klebt, alles juckt. Gutes Bild, das den
Leser dazu führt, sich fast schon selbst zu kratzen.

"Und diese Angst in der Nacht, wenn es knackt und trippelt und
trappelt und huscht und springt, und ein Tier quietscht ganz
jämmerlich." Wenige Worte und die Leser erinnern sich an die eigene
Angst als Kind in der Dunkelheit. Weckt beim Leser Bilder, ganz anders
als das ein Satz täte wie: "'In der Nacht habe ich solche Angst,
überall sind Geräusche', sagte Eva ängstlich."


         Die Spannungskurve

Beachten Sie auch die Spannungskurve. Erst die Beobachter, die uns
erinnern, dass es gefährlich ist. Dann der Weg zur Hütte, der mühsam
ist. Dann das Essen und wie hungrig die beiden Kinder sind.
Schließlich das Statement Evas: Sie geht nicht nach Hause. Auch wenn
sie nicht weiß, wohin sie sonst soll.

Bis hierher steigert sich der Text. Die Schwierigkeiten werden größer,
die Spannung steigt.

Und jetzt der Eid, den Benni nicht brechen will. Zuerst erfahren wir
nur, dass der Schwur nicht gebrochen wird, wenn Eva nicht nach Hause
zurück muss. Das sagt uns, worum es im Schwur ging, aber nicht die
Einzelheiten.

Dann fragt Benni Eva. Denn er will einen Erwachsenen einweihen. Eva
sagt, das wäre okay. Sie versucht ein Lächeln. Das sagt dem Leser: So
ganz ist sie nicht überzeugt. Und dieses "sie versuchte ein Lächeln"
sagt das dem Leser so eindrücklich, dass er ebenfalls seine Zweifel
bekommt. Wird das gutgehen?

Damit haben wir einen Höhepunkt. Benni wird einen Erwachsenen
einweihen. Aber der Leser fragt sich: Wird das gutgehen? Oder wird der
Erwachsene sich auf die Seite von Max stellen, der offenbar der
Erziehungsberechtigte ist? Kinder würden sich diese Frage anders als
Erwachsene stellen. Für Kinder sind Erwachsene sehr mächtig, und
Eltern, die Kinder schlagen und misshandeln, eine riesige Bedrohung.

Ein Erwachsener denkt etwas anders. Er kennt Jugendämter, weiß, dass
misshandelte Kinder durch das Jugendamt geschützt werden sollen, weiß
aber auch, dass das in der Praxis oft nicht geschieht.

Egal, ob Erwachsener oder Kind: Was wird dieser Erwachsene, dem sich
Benni anvertrauen will, was wird er tun? Und wer die Antwort wissen
will, muss weiterlesen.

Ein Beispiel, wie wichtig Fragen in einer Geschichte sind, Fragen, die
sich die Leser stellen und die nur dann wichtig werden, wenn sie mit
Emotionen verbunden sind. Mit Personen, die dem Leser nicht
gleichgültig sind.

                  **~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~**

Hans Peter Roentgen ist Autor der Bücher "Vier Seiten für ein
Halleluja" über Romananfänge und "Drei Seiten für ein Exposé".
Außerdem hält er Schreibkurse und lektoriert.


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INTERVIEW:
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                            (redaktion at team pt autorenforum pt de)


                    "Ich schreibe, also bin ich"
                   Interview mit Angelika Lauriel

Ramona und Thomas Roth-Berghofer: Liebe Angelika Lauriel, gerade ist
Ihr skurriles Krimidebüt "Bei Tränen Mord" im Gemeiner Verlag
erschienen.

Endlich herrscht wieder Sommer in Saarlouis, der heimlichen Hauptstadt
des Saarlandes, als Ihre Heldin, die Callcenter-Angestellte Lucy
Schober, zu ihrem Entsetzen feststellt, dass die Menschen in ihrem
Umfeld wie die Fliegen wegsterben. Könnte Lucys Tollpatschigkeit die
Ursache sein? Auch der ermittelnde Kriminalkommissar Kraus sieht eine
Verbindung zwischen den Todesfällen und der attraktiven Angestellten:
Jeder der Verstorbenen hat kurz vor seinem Unfall mit Lucy
telefoniert! Doch reicht das schon als Tatmotiv? Ist die toughe, junge
Frau am Ende eine Psychopathin? Dass Kraus sich auch noch in Lucy
verguckt, macht die Ermittlungsarbeit kein bisschen leichter.

Schon die Eckdaten Ihrer Geschichte reizen zum Schmunzeln. Wie kamen
Sie auf die Idee zu diesem skurrilen Kriminalroman? Und wieso
ausgerechnet das Umfeld des Callcenters?

Angelika Lauriel: Die Idee zu diesem Roman bekam einen ungewöhnlichen
Anstoß: Der Gmeiner-Verlag hatte Interesse an einem witzigen
Frauenroman - wünschte sich aber Spannungselemente darin. Kurz vor der
Buchmesse letzten Jahres schrieb die Programmleiterin Claudia Senghaas
mich an mit der Bitte, in meine Geschichte eine zusätzliche
Spannungshandlung einzuweben. Der Roman war aber so, wie er war, in
sich geschlossen und rund - in mir sträubte sich alles, deshalb sahen
wir beide es als schwierig an. Dann blitzte in meinem Kopf der Gedanke
auf, stattdessen eine ganz neue Geschichte zu erfinden, einen witzigen
Krimi. Nur wenige Sekunden später war die Kernidee da: "Stell dir vor,
Leichen pflastern deinen Weg, und alle glauben, du bist eine
Mörderin." Ich musste selbst lachen bei diesem Gedanken und spürte
gleichzeitig dieses innere Vibrieren, das Ideen begleitet, die
geschrieben werden MÜSSEN, also machte ich Frau Senghaas den Vorschlag
für den neuen Krimi. Sie rief kurz darauf an und signalisierte mir
ihre deutliche Zustimmung. Ich spann die Idee weiter, und die ganze
Geschichte entrollte sich vor mir.

Das Umfeld des Callcenters bot sich an, weil es für mehrere Dinge
steht: Schwierige Arbeitsbedingungen, nicht sehr gut bezahlt, und man
hat oft mit Menschen zu tun, die sich durch die Anrufe belästigt
fühlen und mitunter unfreundlich bis beleidigend reagieren. Für mich
ein idealer Nährboden für eine gleichzeitig unterhaltsame wie
spannende Geschichte. Und nicht zuletzt auch charakterisierend für die
Protagonistin Lucy.


RRB/TRB: Wie sind Sie beim Schreiben vorgegangen? Sind Sie mehr eine
intuitive Autorin, oder planen Sie jedes Detail im Voraus?

AL: Da bin ich fast so inkonsequent wie meine Protagonistin Lucy
(bezeichnenderweise Sternzeichen Zwilling), die sich, wenn sie
Entscheidungen fällen muss, immer hin und her gerissen fühlt. Wie fast
alle AutorInnen, die ich kenne, schrieb ich mein allererstes Projekt
(2006) rein intuitiv und hatte mehr oder weniger Glück, dass daraus
eine zusammenhängende Geschichte entstand. Durch die Arbeit mit dem
Langenscheidtverlag, bei dem zwei Kinderkrimis von mir erschienen
sind, lernte ich, im Vorfeld einen Kapitelplan zu erstellen. Der eine
oder andere Schreibratgeber, Tipps aus dem Tempest und der intensive
Austausch mit AutorenkollegInnen überzeugten mich rasch, dass
vorheriges Planen dem Schreiben nur gut tut.

Das A und O ist für mich die Figurenentwicklung. Vor allem Schreiben
steht das Kennenlernen meiner Protagonisten in mehrfacher Hinsicht -
Aussehen / Physiologie, Herkunft / Soziologie und innere Verfassung /
Psychologie (grob nach James N. Frey, "Wie man einen verdammt guten
Kriminalroman schreibt"). Als Zweites lasse ich meinen Täter seine
ureigene Geschichte erzählen, die "Geschichte hinter der Geschichte"
(ebenfalls Frey), und im dritten Schritt erstelle ich ein
Stufendiagramm, also eine nummerierte Liste dessen, was in der
Geschichte passiert (abermals nach Frey). Szenenpläne erstelle ich
nicht - so exakt will ich die Geschichte nicht vorgeplant haben. Mit
dieser Methode fahre ich sehr gut, da sich beim Schreiben trotz losen
Plots immer noch reichlich Überraschungen einstellen können. Das
Stufendiagramm ist für mich auch nicht in Stein gemeißelt, sondern
bleibt variabel.


RRB/TRB: Wie sah Ihre Recherchearbeit für "Bei Tränen Mord" aus?

AL: Mit diesem Krimi entschied ich mich für den Schauplatz Saarland
und stieß im Verlag auf offene Ohren, da er für Regiokrimis bekannt
ist. Das hatte den riesigen Vorteil, dass ich, was die Örtlichkeiten
anging, nicht weit zu reisen brauchte. Ich kenne Saarlouis und weiß,
wie es dort aussieht, riecht und sich anfühlt. Zur Arbeit in
Callcentern konnte ich einige Bekannte befragen, um herauszufinden, ob
meine Vorstellungen realistisch sind. Im Internet recherchiert und
teilweise durch Telefongespräche abgeklärt bzw. in Mails mit Experten
besprochen habe ich vor allem die Belange der Polizeiarbeit, in denen
ich mir nicht sicher war. Der Rechercheaufwand hielt sich damit in
überschaubaren Grenzen, und teilweise konnte ich aufkommende Fragen
während des Schreibens klären.


RRB/TRB: Wie umfangreich gestaltete sich die Zusammenarbeit mit dem
Lektorat des Gmeiner Verlags?

AL: Die Lektoratsarbeit mit dem Verlag verlief sehr angenehm. Zuerst
las die Programmleiterin Frau Senghaas das Gesamtmanuskript - und sie
begleitete sogar die Entstehung schon mit. Aufkommende Fragen (z. B.
"Wie viel Dialekt darf sein, damit der Text gut lesbar bleibt?")
besprachen wir sofort.

Das inhaltlich-logische und stilistische Lektorat mit meiner Lektorin
Katja Ernst umfasste zwei Durchgänge und verlief ebenfalls in
angenehmem Ton. Die Manuskriptfassungen haben wir jeweils per
Mailanhang als Word-Datei mit Anmerkungen verschickt und gegengelesen.


RRB/TRB: Hatten Sie Einfluss auf die Titelwahl, die Wahl des
Buchcovers oder den Klappentext?

AL: Ja. Der Titel ist auf meinem eigenen Mist gewachsen; allerdings
hatte ich einen anderen Arbeitstitel - "Immer, wenn sie weinen
musste". Das Buchcover wurde mir früh gezeigt, und da gab es einfach
nichts zu meckern. Ich finde es schlicht genial. Die Werbe- und
Klappentexte habe ich selbst verfasst; Frau Ernst hat sie überarbeitet
und den formalen Forderungen angepasst.


RRB/TRB: Wie lange haben Sie an "Bei Tränen Mord" gearbeitet?

AL: Ich glaube, es ist eines meiner "schnellsten" Projekte geworden.
Die Rohfassung stand nach weniger als drei Monaten. Ich habe die
Neigung, mich wie eine Süchtige dem Schreibfluss zu ergeben, wenn er
mich erfasst. Die Geschichten erzählen sich dann fast von alleine, und
ich bin nur noch der Handlanger, der sie in den Rechner tippt.

Durch den Alltag mit einer fünfköpfigen Familie habe ich mir
frühzeitig angewöhnt, Dinge, die mir wirklich wichtig sind, nicht
aufzuschieben. Das ist auch gut so, da man bei drei Kindern immer mit
allem rechnen muss. Und was sollte ich tun, wenn eine Deadline
näherrückt, aber eines der Kinder beispielsweise im Krankenhaus
landet? Daher mein Drang, all meine Projekte zügig zu schreiben. Wie
eine innerlich Getriebene sitze ich deshalb an meinem PC und kann
einfach nicht anders, als zu schreiben.


RRB/TRB: Wie kamen Sie zum Schreiben? Gab es Vorbilder oder ein
bestimmtes Schlüsselerlebnis?

AL: Ich habe im Jahr 2006 mit Schreiben begonnen. Früher habe ich
immer davon geträumt, es aber gelassen, weil ich es für eine brotlose
Kunst hielt. Stattdessen bin ich Diplomübersetzerin geworden -
ebenfalls eine recht brotlose Kunst. Im Jahr 2006 dann ließ mich eine
Szene einfach nicht mehr in Ruhe. Sie ploppte immer wieder in meinem
Kopf auf: Ein Junge rennt aufgebracht in sein Zimmer, schlägt die Tür
hinter sich zu und brüllt: "Ich komme nicht mit, und damit basta!"
Zur gleichen Zeit unterhielt ich mich oft mit meiner lieben Kollegin
Deana Zinßmeister, einer erfolgreichen saarländischen Autorin
historischer Romane (bei Goldmann). Was sie mir über ihr eigenes
Schreiben erzählte, gab schließlich den Anstoß, mich tatsächlich
hinzusetzen und diese Szene niederzuschreiben. Aus der Szene entspann
sich eine komplexe Fantasygeschichte, die in der Realität verwurzelt
ist. So entstand mein erstes Buchmanuskript, ganz aus dem Bauch
heraus, und war am Schluss 360 Normseiten dick. Es liegt auf meiner
Festplatte - und gefällt mir immer noch sehr.

Damit war ich zur Süchtigen geworden. Ich schreibe, also bin ich.


RRB/TRB: Sie studierten Übersetzen und Dolmetschen
"Englisch/Französisch". Wie wirkt sich Ihr Sprachenstudium auf Ihr
Schreiben aus?

AL: Durch mein Studium hatte ich mit Sprache(n) ja immer schon zu tun,
das war ganz sicher ein Vorteil. Ganz handfest in einen Vorteil
ummünzen konnte ich meine Französischkenntnisse dann in der
Zusammenarbeit mit dem Langenscheidtverlag. Meine liebe Kollegin, die
Autorin und Illustratorin Rebecca Abe (alias Stephanie Fey) berichtete
mir 2009 davon, dass Langenscheidt Illustratoren für eine deutsch-
französische Reihe suche, die ins Leben gerufen werden sollte. Sie gab
mir die E-Mail-Anschrift der betreuenden Lektorin, ich meldete mich
bei ihr. So entstand die sehr angenehme Zusammenarbeit mit dem großen
"Sprachenverlag".

Als bereichernd empfinde ich auch, dass ich in drei Sprachen Bücher
lesen und verstehen kann - Englisch, Französisch und Italienisch.


RRB/TRB: Wie sieht Ihr Alltag als Autorin aus? Ihr Arbeitsplatz? Gibt
es Schreibrituale?

AL: Mein Arbeitsplatz ist ein Zimmer voller Bücherregale, meinem
Schreibtisch und dem PC, den ich mir vom allerersten Autorenhonorar
gegönnt habe. Er hat einen riesigen Bildschirm, bei dem es mir nicht
weiter auffällt, ob meine Augen gut oder schlecht sind. Gesellschaft
leistet mir seit August 2011 unsere französische Bulldogge. Das
Geräusch, wenn sie ihren Kauknochen abnagt, wirkt inspirierend, ihr
tiefes Atmen im Schlaf beruhigend auf mich. Lediglich, wenn sie auf
meinem Schoß schlafen will, behindert sie mich ein wenig beim
Schreiben, weil sie aus unerfindlichen Gründen den Kopf immer in meine
linke Armbeuge legen möchte.

Mein Alltag beginnt morgens um halb neun, nachdem die Kinder in der
Schule sind und ich eine einstündige Runde mit dem Hund gemacht habe.
Kaffee kochen, Mails checken, Foren checken, ein bisschen mit Kollegen
"plaudern" - z. B. auf Facebook oder in einem Schreibforum - und dann
ran ans Manuskript.

Oder: PC an, Dokument öffnen, SCHREIBEN. Mein einziges Schreibritual
besteht darin, eine Kerze anzuzünden, die auf dem Schreibtisch steht.

Bevor ich loslege, lese und überarbeite ich immer das vorangegangene
Kapitel.


RRB/TRB: Sie werden von der "Literaturagentur Scriptzz" vertreten. Wie
sieht die Zusammenarbeit aus?

AL: Meine Agentin Anja Koeseling bekommt alle neuen Projekte von mir,
liest und kommentiert sie, bevor sie sie den passenden Verlagen
anbietet. Außerdem hat sie mir in Brainstorming-Telefonaten den einen
oder anderen Impuls zu neuen Projekten gegeben. Ich bespreche fast
immer meine Ideen mit ihr, bevor ich sie umsetze. Das heißt: Schon die
allererste Idee, die meist aus einem einzigen Satz oder einer (oft
geträumten) Szene besteht, stelle ich ihr vor, dann sagt sie mir: "Das
ist gut, mach was daraus!" und gibt mir mitunter noch Tipps - etwa die
Lesergruppe betreffend, die Erzählstimme betreffend oder anderes.

Ein konkretes Beispiel: Über Weihnachten und Silvester vergangenen
Jahres spürte ich eine noch unkonkrete Idee heranwachsen. Ein
Entwicklungsroman mit viel Tiefgang, eine Liebesgeschichte, bei der
den beiden Protagonisten "alles" abverlangt wird. Nach Fertigstellung
von "Bei Tränen Mord" und eines Kinderkrimis, den ich vergangenes Jahr
geplant und im Januar geschrieben habe, trug ich Frau Koeseling diese
halbgaren Gedanken vor. Sie bat mich, diesen Roman für Jugendliche zu
schreiben. Damit war der Impuls da, der Anstoß, der vorher noch
gefehlt hatte. Was zuvor in mir gegärt hatte, nahm Gestalt an,
fesselte mich sofort (und meine Agentin ebenfalls), und jetzt ist es
das Projekt, an dem ich wieder mal mit Schatten unter den Augen wie
eine Suchtkranke schreibe. Mit Unterbrechungen dieses Mal, da Lektorat
und andere Dinge auch wichtig sind.


RRB/TRB: Was macht Ihrer Meinung nach eine gute Autorin aus?

AL: Vor allem eines: Kritikfähigkeit. Außerdem Durchhaltevermögen.

Und dann die Fähigkeit, beim Schreiben alle Kritik außen vor zu
lassen, sich hineinzustürzen in die Geschichte und sich auf die
Protagonisten und das, was sie zu erzählen haben, einzulassen. Die
Geschichte erzählt sich selbst, wir Autorinnen müssen es nur zulassen.


RRB/TRB: Sie schreiben sowohl im Kinder- und Jugendbuch- als auch im
Erwachsenen-Bereich. Gibt es dabei ein Genre, das Ihnen besonders am
Herzen liegt?

AL: Ich liebe alles, was ich schreibe, sonst könnte ich es nicht
machen. Damit will ich sagen, dass bisher alle Geschichten, die ich
begonnen habe, einen eigenen Antrieb entwickelten und mich fesselten,
egal, ob ich sie erträumte oder einen Anstoß von außen dazu bekam.

Trotzdem gibt es tatsächlich Projekte, die mir auf besondere Weise
wichtig sind. Es sind die Bücher, die mich beim Schreiben an meine
psychischen Grenzen führen, Bücher, die mich aus meiner Realität
hinaus in die Realität meiner Protagonisten reißen und die mir
manchmal schwer im Magen liegen. Eines davon erscheint nächstes
Frühjahr bei Schwarzkopf & Schwarzkopf. Es ist ein Jugendroman mit
einer Entwicklungs- und Liebesgeschichte. Mehr will ich darüber
derzeit nicht verraten.

Krimis liegen mir natürlich ebenfalls am Herzen - das ist nicht schwer
zu erraten, nicht wahr? Und wenn ich nach einem schweren Buch eines
voller Humor und skurriler Ideen schreiben kann, dann schwingt das
Pendel so angenehm von der einen Richtung in die andere.

Im Kibu-Jubu-Bereich finde ich es wichtig, realistische Geschichten zu
erzählen und solche, die vor allem auch Jungs ansprechen. Mädchen
lesen bereitwilliger als Jungs, und sie lesen bestimmt auch Texte, die
Jungs gefallen. Umgekehrt ist das viel schwieriger. Jungs greifen
nicht zu Büchern, die aussehen, als seien sie "für Mädchen gemacht".


RRB/TRB: Wie sehen Ihre Schreibpläne für die Zukunft aus?

AL: Ich möchte so weitermachen wie bisher. Ich würde mich sehr freuen,
wenn ich mich als Autorin auf dem Büchermarkt weiter etablieren kann,
und zwar im Kibu-Jubu- wie im Erwachsenenbereich. Ich freue mich sehr
darüber, dass ich im Krimigenre veröffentlichen darf - aber nicht nur
dort. Ja, ich wünsche mir, dass ich auch mit meinen ernsthaften,
nachdenklichen Projekten weitermachen kann.


RRB/TRB: Hätten Sie noch einen Rat für angehende Autoren und
Autorinnen?

AL: Tempest lesen, sich in Autorenforen anmelden, sich informieren
über die Welt der seriösen Verlage. An sich selbst immer zweifeln. Das
machen Autoren sowieso, aber ich finde es auch wichtig. Jede/r AutorIn
sollte das Fegefeuer einer echten Textkritik durchleben, bevor er/sie
ans Veröffentlichen denkt.

Davon abgesehen lautet die einzige wirklich wichtige Devise:
Durchhalten!


RRB/TRB: Was lesen Sie zurzeit?

AL: "Fünf" von Ursula Poznanski und "Schattenmenagerie" von Dieter
Bührig. Aus Recherchegründen liegen außerdem "Das Parfum" von Patrick
Süskind und "Die Leiden des jungen Werther" von Goethe in Reichweite
auf meinem Schreibtisch.


RRB/TRB: Herzlichen Dank für das Interview!

AL: Ich bedanke mich auch sehr herzlich!


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VERLAGSPORTRAIT:
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                            (redaktion at team pt autorenforum pt de)

AAVAA Verlag
Hermann-Hesse-Straße 25
13156 Berlin
http://www.aavaa-verlag.de
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.


Dr. Hans Lebek hat den Verlag gegründet. Mittlerweile beschäftigt er
vier Mitarbeiter und einen Auszubildenden.

Lebek hat als Autor selbst die Erfahrung gemacht, wie schwer es ist,
einen Verlag zu finden, der bisher noch unbekannten Autoren eine
Chance bietet, ohne sie an den Kosten der Publikation zu beteiligen.
Auch wollte er die Versorgung der Senioren mit Büchern in Großschrift
verbessern.


         Verlagsgeschichte

Die Geschichte des AAVAA Verlags begann im Jahr 2009. Aus einer Idee
erwuchs alsbald ein Konzept, das Hans Lebek mit viel Engagement
umsetzte. So fand sich ein halbes Jahr später ein Team von
Gesellschaftern aus den Bereichen Germanistik, Grafikdesign,
Webdesign, Kommunikation, Logistik und Marketing zusammen und verlieh
dem AAVAA Verlag ein unverwechselbares Gesicht. Innovative Konzepte,
Kreativität und Mut, auch mal von der Norm abzuweichen, bilden nach
wie vor die Grundlage des Verlagsprofils.


         Programm und Philosophie

Von Mainstream bis Special Interest bietet der AAVAA Verlag vieles.
Der Schwerpunkt liegt auf Belletristik, doch auch Ratgeber gehören zum
Programm. Jedes Buch wird zusätzlich ohne Aufpreis im Format
Großschrift produziert, denn Lesen sollte auch bei eingeschränkter
Sehkraft ein Vergnügen sein.

Die Philosophie: Bei AAVAA sind Visionäre, aber keine Träumer. Sie
trauen sich, auch mal gegen den Strom zu schwimmen, ohne jedoch
wirtschaftliche und zukunftsorientierte Aspekte aus den Augen zu
verlieren. Sie möchten bisher noch unbekannten, begabten Autoren eine
Chance bieten, ihre Werke ohne offensichtliche oder versteckte Kosten
zu publizieren.


         Welche Autoren wurden bisher verlegt?

Einen Überblick über die Verlagsautoren gibt es auf der Website unter
http://www.aavaa-verlag.de/autoren. Dazu gehören zum Beispiel einige
"Mörderische Schwestern" wie Gloria Frost, Rita Hausen, Kerstin Lange,
Gisela Garnschröder, die Regionalkrimis geschrieben haben, oder auch
Alexander Bally, Leonhard Michael Seidl und Claudia Winter.


         AutorInnen gesucht?

Der AAVAA Verlag veröffentlicht vorzugsweise neue und noch unbekannte
Talente. Allerdings nimmt man dort ausschließlich Manuskripte an, die
zuvor mindestens ein fachkundiges Korrektorat (Rechtschreibung,
Interpunktion und Grammatik) durchlaufen haben. Jedes eingereichte
Manuskript wird geprüft, inwieweit es sich für eine Publikation
eignet. Es sollte neben einem mitreißenden Schreibstil auch eine
logische und spannende Handlung vorhanden sein. Hilfestellung kann
sich der Autor durch die PDF-Datei "Hilfestellung zur
Manuskriptoptimierung" geben lassen. Außer des Manuskriptes sollten
ein Exposé, ein Autorenprofil und einen Klappentextentwurf eingereicht
werden, und zwar über das Einreichungsformular auf der Autorenseite
http://www.aavaa-verlag.com/manuskript. Dort finden sich weitere
Hinweise und auch die Informations-PDF zur Manuskriptoptimierung.


         Konditionen

Der AAVAA Verlag beteiligt die Autoren nicht an den Kosten. Folgende
Konditionen bietet man dort an: 8% vom Nettoverkaufserlös
Umsatzbeteiligung für den Autor, ein Freiexemplar, Autorenrabatt ab 8
Exemplaren gestaffelt auf das gesamte Verlagssortiment, aus dem Erlös
aus Nebenrechten erhält der Autor 50 %.

Außerdem können AAVAA-Autoren sich für das AAVAA Insight registrieren,
ein kostenloses Forum zur gegenseitigen Hilfestellung.


         Was ist besonders wichtig?

Bei AAVAA möchte man frischen Wind in die Verlagslandschaft bringen,
noch unbekannte Talente entdecken und publizieren. Gerne lässt man
sich auf ganz neue Genres wie Yaoi, Crossover oder Urban Fantasy ein,
denn Literatur entwickelt sich in viele spannende Richtungen. Aber
auch der gute alte Western ist herzlich willkommen.

Wichtig sind vor allem spannende, überraschende und gut geschriebene
Werke, die den Leser von der ersten bis zur letzten Seite fesseln.


         Zukunftspläne, Perspektiven

Im Sommer 2012 wird die erste Verlagsbuchhandlung in Berlin eröffnet.
Neben Lesungen mit unseren Autoren sind Veranstaltungen rund um das
Thema Literatur geplant. Zusätzlich werden die Kooperationen in den
Bereichen Vertrieb und Marketing weiter ausgebaut.


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UNSERE EXPERTINNEN UND EXPERTEN:
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Bitte schickt den ExpertInnen nur Fragen zu ihrem Expertenthema -
keine Manuskripte zur Beurteilung.

Bitte verseht jede Anfrage mit einem aussagekräftigen Betreff. Sonst
kann es sein, dass die Mail vorsichtshalber sofort gelöscht wird.


Drehbuch: Oliver Pautsch
                            drehbuch at experte pt autorenforum pt de
Fandom: Thomas Kohlschmidt
                              fandom at experte pt autorenforum pt de
Fantasy: Stefanie Bense
                             fantasy at experte pt autorenforum pt de
Heftroman: Arndt Ellmer
                           heftroman at experte pt autorenforum pt de
Historischer Roman: Titus Müller
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Kinder- und Jugendbuch: Michael Borlik
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Kriminalistik: Kajo Lang
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Lesungen: Rüdiger Heins
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Lyrik: Martina Weber
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Sachbuch: Gabi Neumayer
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Schreibaus- und -fortbildung: Uli Rothfuss
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Schreibgruppen: Ute Hacker
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Schreibhandwerk: Ute Hacker
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Sciencefiction: Andreas Eschbach
                            sf-autor at experte pt autorenforum pt de
Übersetzung: Barbara Slawig
                       uebersetzerin at experte pt autorenforum pt de
Verlagswesen: Bjørn Jagnow
                        verlagswesen at experte pt autorenforum pt de

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Experten-Special:
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Bjørn Jagnow hat seine Fragen und Antworten zu den Themen
Urheberrecht, Verlagswesen und Vermarktung der letzten Jahre gesammelt
- thematisch sortiert und aktualisiert:

"Urheberrecht, Verlagswesen und Vermarktung für Autoren 2012", E-Book,
2,99 Euro, http://www.amazon.de/gp/product/B007VD3OL6/


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FRAG DIE EXPERTIN FÜR FANTASY:
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          Stefanie Bense (fantasy at experte pt autorenforum pt de)


Frage:
Ich schreibe meine Geschichte eigentlich komplett im auktorialen
Erzählstil (gemischt mit dem personalen). Aber mein Prolog wird aus
der Ich-Perspektive erzählt. Es wird aber nicht aufgelöst, wer diese
Person ist, die erzählt. (Ich bin auch noch nicht sicher, ob ich das
zum Schluss auflösen soll). In diesen zwei Seiten wird das "Ende"
eines Krieges beschrieben, ohne zu viel zu verraten. Außerdem setzte
ich am Ende mancher Kapitel manchmal eine Frage an die Hauptperson, um
die es im vorangegangenen Kapitel ging. Allerdings ohne Antwort, z. B:
"Was meinst du, Amber, hättest du anders gehandelt, wenn du es gewusst
hättest?"

Da wollte ich fragen, ob man das in einem Fantasy-Roman schreiben kann
oder ob man das lieber lassen sollte.


Antwort:
Grundsätzlich: Man darf alles im Roman schreiben, solange es so gut
gemacht ist, dass es den Leser unterhält und nicht von der Geschichte
abhält. Auch jegliche Perspektivwechsel. Bei einer Kurzgeschichte rate
ich dazu, sich für eine Perspektive zu entscheiden, weil nicht genug
Platz ist, um sich auf unterschiedliche gut einstellen zu können
(sowohl beim Schreiben als auch beim Lesen).

Perspektivwechsel sind modern und werden inzwischen in jedem Genre
genutzt. Sie haben dort ihre Berechtigung, wo Teile der Story sonst
gar nicht erzählt werden können, die aber essentiell sind. Oder wo
sehr unterschiedliche Figuren sehr verschiedene Blickwinkel auf die
Story haben (z. B. in Kai Meyers "Wellenläufer", in dem ein
Piratenmädchen und ein Inseljunge erzählen; aber: Meyer hat System
beim Perspektivwechsel!).

Leider erlebe ich beim Lesen immer wieder, dass der Autor oder die
Autorin es sich mit der auktorialen Perspektive und / oder wechselnden
Perspektiven nur "leicht" gemacht hat. Statt über eine interessante
Aufteilung oder eine eingegrenzte Sicht nachzudenken und die
Herausforderung anzunehmen, nur aus einer oder zwei Perspektiven zu
erzählen, wird schnell der "bequeme Ausweg" gewählt. Klar, man kann
aus der Perspektive einer Figur nicht erzählen, was eine andere denkt,
es sei denn, sie sagt es oder macht es sonstwie deutlich. Ja, sicher,
es ist schwierig, die Perspektivfigur an allem zu beteiligen, was sie
wissen muss, ohne ihr ständig "Weißt-du-schon-Monologe" von anderen
Figuren vorbeten zu lassen. Aber das ist ja gerade das Handwerk ...

Solche bequemen Perspektiven verführen den Autor / die Autorin leider
schnell dazu, ohne Plan hin- und herzuspringen, so dass es keinen
roten Faden für den Wechsel gibt. Damit fühlt man sich als Leser
schnell ausgeliefert. Außerdem wirken die Figuren distanziert, weil zu
viele die Aufmerksamkeit beanspruchen. Wenn die auktoriale Perspektive
strukturiert wechselt, kann es aber durchaus interessant sein.

Natürlich ist es Geschmackssache, ob man lieber einer Figur ganz nah
folgt oder in alle Figuren hineinschauen möchte. Ich etwa mag die
auktoriale Perspektive nicht lesen, weil sie so beliebig durch die
Figuren wandert und mich an keine richtig heranlässt. Für mich sind
die personale Perspektive oder die Ich-Perspektive am spannendsten und
intensivsten. Aber das ist eben (nur) meine Lese-Vorliebe.

Da der Prolog ein eigenständiges Kapitel bildet, ebenso wie der
Epilog, kann die Perspektive hier völlig abgesetzt von der
Haupthandlung sein. Dennoch würde ich mich (als Leserin und an deiner
Stelle als Autorin) fragen: Was hat es für Vor- bzw. Nachteile, hier
eine nach deiner Beschreibung vage Ich-Perspektive zu nutzen? Wer ist
dieses Ich, wenn es später keine Rolle mehr spielt, und wozu benötige
ich es an dieser Stelle?

Die Fragen am Ende des Kapitels sind ein Stilmittel, das sich mir in
seiner Bedeutung leider nicht erschließt. Wozu benötigst du das? Soll
es als Spannungselement oder fiktiver Dialog dienen? Als Gag? Als
Beteiligung eines externen Erzählers, der sonst nicht zu Wort käme?

Als Spannungselement:
Es führt einen externen Erzähler ein, der auktorial aus der Rückschau
kommentiert. Denn diese Fragen beantwortet ja die genannte Figur
nicht. Also ist die Frage rhetorisch und zielt auf den Leser. Der
Leser soll angeregt werden, darüber nachzudenken, welche Wahl die
Figur Amber gehabt hat und ob sie anders gehandelt bzw. entschieden
hätte, wenn sie andere Informationen gehabt hätte.

Das spricht zwar das Alltagsverständnis des Lesers an - wer hat das
noch nicht erlebt, dass man hinterher schlauer war und es lieber
anders gemacht hätte?! -, doch finde ich dieses Stilmittel plump, da
es so offensichtlich aus der Erzählebene der Geschichte fällt und den
Leser drängt, so zu denken, wie es der Autor gerne hätte. Spannend ist
das nicht.

Als fiktiver Dialog:
Wer fragt da wen? Antworten sie sich tatsächlich, also: erhält Amber
die Chance, darauf etwas zu erwidern? Falls nein, ist es kein Dialog.
Falls ja, was bringt es der Geschichte? Spannend ist es dort, wo die
Hauptfigur als alter Erzähler in der Rückschau seine Geschichte
kommentiert (ohne aufdringlich zu werden), z. B. in "Name der Rose".
Dann muss die Erzählperspektive in der Story aber entweder Ich oder Er
/ Sie sein.

Als Gag:
... ist es ein Flopp oder ein Eigentor, weil du damit den Leser aus
der Storyebene reißt. Das ist kein Gag wert. Zumal, wenn nicht
aufgelöst wird, wer die Fragen stellt und was Amber damit anfangen
sollte.

Als Beitrag eines externen Erzählers, der sonst nicht zu Wort kommt:
Ja, wozu muss er dann in diesen Fragen zu Wort kommen? Ein externer
Erzähler ist nur sinnvoll, wenn er die Figuren kontrastiert, wenn er
über die Figurenerfahrungen hinaus etwas zur Story beitragen kann.
Beispiel: "Die Leiden des jungen Werther" von Goethe. Da wird der
externe (fiktive) Erzähler bzw. Herausgeber benutzt, um Authentizität
zu schaffen. Man glaubt diesem Herausgeber der Wertherschen Briefe
eher, dass diese Briefe so existiert haben. Oder man hat als Erzähler
eine unzuverlässige Figur, die von einem externen Erzähler Paroli
geboten bekommen muss, damit der Leser "bei der Stange" bleibt.

Kurz und gut: Frage dich stets, was das Element, das du nutzen willst,
für deine Story leistet.

                  **~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~**

Stefanie Bense lebt und arbeitet in Emden, gibt Schreibkurse und führt
eine Roman-Werkstatt, http://www.romantisch.essdeh.de, veröffentlicht
sporadisch und schreibt an ihrem dritten Roman.


*********************************************************************
FRAG DEN EXPERTEN FÜR VERLAGSWESEN:
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         Bjørn Jagnow (verlagswesen at experte pt autorenforum pt de)


Frage:
Ich möchte eine Art Sachbuch verfassen. [...] Es gibt viele Seiten,
auf denen ich alle nötigen Informationen zusammenbekommen kann. Das
Ganze wird tabellarisch abgedruckt.

Jetzt ist meine Frage, inwiefern darf ich die Informationen aus dem
Web in mein Buch übernehmen? Sind frei zugängliche Information
geschützt? Z. B. [...] Neben dem Namen der Seiten ist ein Copyright-
Symbol. Ist jetzt der Inhalt der Seite geschützt oder nur der Name der
Seite?

Und wenn es schon ein Buch gibt, welches so ähnlich ist wie das, was
ich vorhabe, aber mein Design anders sein wird, kann dann der Autor
des anderen Buches dagegen etwas sagen? Ich meine es gibt ja auch
tausende Kochbücher, und in vielen werden ja auch die gleichen Rezepte
auftauchen. Zudem würde mich interesieren ob ich das Buch dann selber
verlegen und verkaufen darf?


Antwort:
Generell sind Informationen frei verwendbar, wenn man sie aus einer
öffentlichen Quelle hat, aber Werke sind geschützt und benötigen eine
Erlaubnis. Die Information ist ein Fakt - ein Werk ist eine
individuelle Aufbereitung einer Idee. Eine Tabelle enthält
Informationen. Die Zusammenstellung und Aufbereitung der Tabelle, d.
h. von der Auswahl der enthaltenen Informationen bis zur
Zusammenstellung der Spalten, ist ein Werk.

Sie können daher nicht ohne Erlaubnis im Internet gefundene Tabellen
übernehmen, obwohl die Informationen darin frei verwendbar sind. Sie
müssen daraus (und am besten noch aus anderen Quellen) eigene Tabellen
entwickeln.

Das Copyright-Zeichen hat in Deutschland überhaupt keine Bedeutung.
Werke sind automatisch geschützt, selbst wenn das Zeichen fehlt. Das
Zeichen schützt aber auch im anglo-amerikanischen Raum nicht nur den
Namen, sondern auch den Inhalt.

Dass zwei Bücher das gleiche Thema haben oder auch die gleichen
Informationen wiedergeben, ist nicht verboten. Entscheidend ist, ob
beide voneinander unabhängige schöpferische Leistungen sind. Der
Vergleich zu den Kochrezepten hinkt, denn jedes Kochrezept ist ein
Werk und darf nicht ohne Erlaubnis in andere Veröffentlichungen
übernommen werden.

Sie dürfen alles, was Sie selbst geschaffen haben, natürlich auch
selbst verlegen oder veröffentlichen. Sie sind nicht gezwungen, sich
einen Verlag zu suchen. Wenn Sie allerdings Werke von anderen
verwenden, dann benötigen Sie dafür auf jeden Fall eine Genehmigung.
Abschreiben ist keine gesellschaftlich akzeptierte Geschäftsgrundlage.

Ich hoffe, das hilft Ihnen fürs Erste weiter. Ich empfehle dringend,
sich etwas intensiver mit den Grundlagen von Urheberrecht und
Verlagswesen zu beschäftigen, bevor Sie selbst publizieren. Das
Risiko, für Fehler finanziell massiv zur Verantwortung gezogen zu
werden, ist groß.

                  **~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~**

Bjørn Jagnow ist Schriftsteller, Verlagsfachwirt, Verlagskaufmann und
Buchhändler. Unter http://bjoernjagnow.blogspot.com/ bloggt er über
die Zukunft der Medien, über Rollenspiele und andere Themen.


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Veranstaltungen, Ausschreibungen, Publikationsmöglichkeiten, Messen
und Seminare findet ihr im zweiten Teil des Tempest, der mit
getrennter Mail kommt
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The Tempest: Vorschau auf die aktuelle Ausgabe

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Ausgabe 26-04 (vom 20. April 2024)

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   Neues aus der Buchszene
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   Buchbesprechung
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