The Tempest

Ausgabe 21-05 (20. Mai 2019)

   Editorial
   Hall of Fame
   Neues aus der Buchszene
   Schreib-Kick
   Interview mit Chriz Wagner, Entwickler von  „StoryIt“
      geführt von Olga A. Krouk
   Was dem Lektorat auffällt
      „Blutige Bilder“
      Text: Ingrid Poljak, Lektorat: Hans Peter Roentgen
   Frag die Expertin für Schreibhandwerk
      (Ute Hacker)
   Impressum

EDITORIAL 

Liebe Autorinnen und Autoren,

Internet und Computer bringen immer neue Hilfsmittel für AutorInnen hervor: intelligente Textverarbeitung, Planungssoftware und Strukturierungstools. Aber jede/r AutorIn ist anders, und so kann die eine mit einem bestimmten Tool wunderbar arbeiten, während es zur Arbeitsweise eines anderen überhaupt nicht passt. Darum stellen wir euch im Tempest immer wieder neue, unterschiedliche Tools vor. Diesmal "StoryIt" von Chriz Wagner; Olga A. Krouk hat ihn zu den Besonderheiten seiner Software befragt. - Schreibt uns doch mal, womit ihr arbeitet und warum!

Hans Peter hat seine Roentgen-Augen (Nachsicht bitte, diesen Gag mache ich nach 23 Jahren jetzt zum ersten Mal!) auch diesmal auf einen Text gerichtet, der ein bisschen Überarbeitung brauchen kann. Und wie immer kann nicht nur die Autorin des Textes jede Menge dabei lernen.

Ute Hacker, unsere Expertin für Schreibhandwerk, beantwortet eine Leserfrage zur Heldenreise; außerdem gibt es wie immer neue Tipps, Kicks, News und Ausschreibungen.
 

Der Tipp des Monats, diesmal von www.writingforward.com/blog:

Make sure your setting is vivid and realistic even if you made it up.


Schreibt uns, überweist uns etwas, helft mit, den Tempest lebendig zu halten! Und genießt die Sonne!

  Gabi Neumayer
  Chefredakteurin

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Damit wir den Tempest auch in Zukunft weiterführen können, brauchen wir eure Hilfe: Wer uns unterstützen möchte, überweise bitte einen freiwilligen Jahresbeitrag (15 Euro haben wir als Richtwert gesetzt, aber ihr helft uns auch schon mit 5 oder 10 Euro weiter) auf das Konto:

     Jürgen Schloßmacher
     Kreissparkasse Köln
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     Stichwort: "Beitrag Tempest"

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Und wer nicht überweisen möchte, kann uns den Beitrag auch weiterhin per Post schicken (Adresse am Ende des Tempest). 


ISSN 1439-4669 Copyright 2019 autorenforum.de. Copyright- und Kontaktinformationen am Ende dieser Ausgabe


INHALT DIESER AUSGABE

TEIL 1

   Editorial
   Hall of Fame
   Neues aus der Buchszene
   Schreib-Kick
   Interview mit Chriz Wagner, Entwickler von  „StoryIt“
      geführt von Olga A. Krouk
   Was dem Lektorat auffällt
      „Blutige Bilder“
      Text: Ingrid Poljak, Lektorat: Hans Peter Roentgen
   Frag die Expertin für Schreibhandwerk
      (Ute Hacker)
   Impressum


TEIL 2 (in separater E-Mail, falls ebenfalls abonniert)

   Veranstaltungen
   Ausschreibungen
   Publikationsmöglichkeiten
     mit Honorar
     ohne Honorar
   Seminare
   Messekalender


HALL OF FAME (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.


Die "Hall of Fame" zeigt die Erfolge von AbonnentInnen des Tempest. Wir freuen uns, wenn ihr euch davon motivieren und ermutigen lasst - dann werden wir euer neues Buch hier bestimmt auch bald vorstellen können.

Melden könnt ihr aktuelle Buchveröffentlichungen (nur Erstauflagen!) nach diesem Schema:

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AutorIn: "Titel", Verlag Erscheinungsjahr (das muss immer das laufende oder das vergangene Jahr sein!), Genre (maximal 2 Wörter). Zusätzlich könnt ihr in maximal 60 Zeichen (nicht Wörtern!) inklusive Leerzeichen weitere Infos zu eurem Buch unterbringen, zum Beispiel eine Homepage-Adresse.

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Ein Beispiel (!):

Johanna Ernst: "Der Fall der falschen Meldung", Hüstel Verlag 2015, Mystery-Thriller. Dann noch 60 Zeichen - und keins mehr! Inklusive Homepage!

.......

Ausgeschlossen sind Veröffentlichungen in Anthologien, Bücher im Eigenverlag und BoDs (sofern sie im Eigenverlag erschienen sind) sowie Veröffentlichungen in Druckkostenzuschussverlagen. 

ACHTUNG!

Schreibt in eure Mail mit der Meldung immer auch hinein, dass ihr bestätigt, dass die Veröffentlichung weder im Eigenverlag noch in einem Verlag erschienen ist, bei dem der Autor irgendetwas bezahlt hat! Als Bezahlung gilt auch, wenn er Bücher kostenpflichtig abnehmen muss, Lektorat bezahlt o. Ä.

Schickt eure Texte unter dem Betreff "Hall of Fame" an dDiese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Wir berücksichtigen ausschließlich Meldungen, die nach dem obigen Schema gemacht werden und die Bestätigung zum Verlag enthalten. Änderungsaufforderungen zu Meldungen, bei denen das nicht der Fall ist, werden ab sofort nicht mehr verschickt! 


Carolina Conrad: „Letzte Spur Algarve“, Rowohlt Taschenbuch 2019, Portugalkrimi. bettina-haskamp.de

Nanna Neßhöver (Text), Annette Swoboda (Illustrationen): „Fühlinchen“, Carlsen 2019, Bilderbuch. Ein Fühlinchen sucht ein zweites, das genauso fühlt wie es selbst.

Holger Biernat: „Individuelle Datenverarbeitung in Zeiten von Banking 4.0“, Springer Gabler 2019, Fachbuch. Für Banken, IDV: Regulatorik, aktueller Stand, Umsetzung
 


NEUES AUS DER BUCHSZENE (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.)


Wir leben in turbulenten Zeiten, die Buchbranche ist in Bewegung wie nie zuvor. Ob es nun um neue Vertragsbedingungen mit Amazon geht, die zunehmende Digitalisierung des Marktes oder all die neuen Chancen und Möglichkeiten, die sich Verlagsautoren und professionellen Selfpublishern bieten: Eine Nachricht jagt die nächste. Damit ihr den Überblick behaltet und nichts Wichtiges verpasst, fassen wir hier alle interessanten Links zusammen, die uns jeden Monat ins Auge fallen - natürlich ohne Anspruch auf Vollständigkeit.


Interviews / Gespräche


„Läuft alles nach Plan, haben wir im Juli einen Investor.“ Interview mit KNV-Insolvenzverwalter Tobias Wahl.


Buchhandel / Zwischenhandel


Was gibt es in puncto Insolvenz von KNV Neues? Antworten in einem Dossier.

Interesse am Kulturgut Buch verloren? bevh kritisiert Portoerhöhung für Büchersendungen.

Osiander eröffnet 63. Filiale in Kehl.

Bilanz des ersten Quartals 2019: Amazons Netto-Gewinn verdoppelte sich.

Über die Erwartungen an eine Buchhandlung.

Ausbildungszahlen im Buchhandel gehen leicht zurück.

Osiander zieht in Forchheim auf größere Fläche.

Post macht Büchersendungen teurer.

Orell Füssli Thalia hat in Zürich die siebte Buchhandlung eröffnet.

20 Millionen Bundesbürger kaufen Lektüre online.

Deutschlands schönste Buchhandlungen (Folge 44). Buchhandlung Almut Schmidt in Kiel: Ein Leuchtturm im Büchermeer.

Der deutsche Buchhandel hat den Podcast für sich entdeckt.


Verlage / Konzerne


Die alte Idee des Büchermachens. Die Verlegerin Antje Kunstmann wird 70.

Arbeiten nach der Stechuhr. Das sagen deutsche Verlage und Agenturen dazu.

Bastei Lübbe: Vertriebsteam sortiert sich neu.

Bertelsmann: Neues Quartal, neues Plus.

Kartellamt genehmigt Fusion: Sprachführer Pons und Langenscheidt bald vereint.

Bertelsmann will führende Rolle im deutschen Audiomarkt spielen.


Rechtliches / Politik / Gesellschaft


„Demokratie in Gefahr“: Daniel Kehlmann nimmt Preis entgegen und kritisiert Kanzler Kurz.

Welttag der Pressefreiheit.

Datenschutzskandal: Facebook rechnet mit milliardenschweren Geldstrafen.


Kultur / Literaturszene


Das Ende einer Ära: Zum Tod des Satirikers Wiglaf Droste.

Klaus Schöffling - ein Leben für die Literatur.

Romanschreibende Schauspieler und ihre Spitzentitel.

„Ich gebe zu, ich bin backlistverliebt.“ Peter Haags Editorial in der Herbstvorschau.

Veränderung der Sprache: Wie die Genderfrage jetzt auch das gesprochene Wort beeinflusst.

Loslabern. Podcasts erobern den Markt.

Nutzerumfrage von LovelyBooks: Es wird mehr gelesen.
 


Übersetzungen


Heinrich-Maria-Ledig-Rowohlt-Stiftung: Hoch dotiere Übersetzerpreise werden vergeben.

Nachruf auf Eva Modenhauer, die große Werke aus dem Französischen übersetzte.


Preise / Wettbewerbe 


Bundeswettbewerb für junge Lyrik: Zwölf Jahressieger gekürt.

Beste Bilder gesucht. Ausschreibung zum Deutschen Cartoonpreis. 

Nobelpreisskandal: Jean-Claude Arnault muss für zweieinhalb Jahre ins Gefängnis.

Breitbach-Preis an Thomas Hettche.

Frankfurter Buchmesse Film Awards: Beste Film-Bildbände gesucht.


Illustration


Verliebt in Papier: Illustratoren in der Buchbranche.


AutorInnen / Selfpublishing


Autorentipp: Mein erster Verlagsvertrag. Drei Fragen, die Sie unbedingt klären sollten.


International


Not just a man's business: Here's a list of 50 awesome thrillers by female authors.

Erstes Quartal im US-Sortiment: Weniger in der Kasse.

Große Präsenz: Deutsche Autoren und Autorinnen bei US-Buchfestival vertreten.

„Seismic shift“: Children's books are becoming more diverse.

The mystery about Harry Potter: How the book series has entered our „cultural zeitgeist“.

Differenzierteres Bild zum Umsatz im US-Buchmarkt.

Fantastical Voyages, Mysteries, Greek Myths: The New Graphic Novels in Spring 2019.


SCHREIB-KICK (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.)


Der Kick des Monats Mai, diesmal von Nora-Marie Borrusch:


Dieselbe Sache einmal wohlwollend und einmal negativ beschreiben 

Beim Schreiben geht es manchmal um außergewöhnliche Protagonisten, Perspektiven oder Szenen. Gerade beim Schreiben fantastischer Literatur ist dies wichtig, da es hier oftmals um Perspektiven von Figuren geht, die nicht einmal menschlich sind. Um deren Sichtweise zu verstehen, kann man Situationen, Personen oder Dinge zweimal beschreiben: einmal wohlwollend, einmal gehässig. Wie riecht eine Tonne Müll aus Sicht einer Straßenkatze oder eines frischgeduschten Menschen auf dem Weg zu einem Date? 


INTERVIEW (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.)


„StoryIt lässt dem Autor größtmögliche Freiheiten“

Interview mit Chriz Wagner, Entwickler der Plot-Software „StoryIt“
geführt von Olga A. Krouk


Chriz Wagner mag butterweiche Bleistifte und seine verstaubte Westerngitarre. Vor allem mag er aber, Mysteryromane zu schreiben und sie zu veröffentlichen. Doch bevor er mit dem Schreiben beginnt, muss er plotten – was bei vielen Autoren keine allzu beliebte Tätigkeit darstellt. Zu groß ist die Gefahr, in einem Zettelchaos aus unterschiedlichen Handlungssträngen zu versinken. Wie gut, dass Chriz seine butterweiche Bleistifte nicht nur mit seinen Veröffentlichungen finanziert, sondern auch als Softwareentwickler. So kam er auf die Idee, eine Plotsoftware zu entwickeln, die ihm das Leben erleichtern sollte. Ihm und – wie sich schon bald herausstellte – auch vielen anderen Autoren: StoryIt.


Olga A. Krouk: Lieber Chriz, danke, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst. Erzähle uns bitte ein wenig über die Anfänge von StoryIt. Was war dir dabei besonders wichtig?

Chriz Wagner: Als ich mit der Arbeit an der Software begonnen habe, steckte ich mitten in einem Buchprojekt. Ich kämpfte damit, den Überblick zu behalten. Zeitebenen und Handlungsstränge machten mir das Leben schwer. StoryIt habe ich zunächst einmal nur für mich entwickelt. Da war es mir wichtig, dass die Software mit grundlegenden Dingen wie Szenen, Figuren, Schauplätzen und Plot-Strukturen umgehen kann, und zwar auf dem PC und am Smartphone. Als Vorlage verwendete ich meine Arbeitsdatei – eine Word-Datei, die alle Daten des aktuellen Projektes aufzeigte. Mein Ziel war, diese Datei auf übersichtliche Art und Weise zu erhalten. Das Ergebnis kann man sich heute ansehen, wenn man StoryIt öffnet und das Tool „Querlesen“ verwendet. Ich arbeite immer noch sehr gerne damit. Dinge wie Feldlängenprüfungen, Inhaltsvalidierungen und die Onlinehilfe waren anfangs völlig egal. Erst, als andere Autoren Interesse an der Arbeit mit dem Tool zeigten, begann ich, Prüfungen und die Hilfe zu implementieren. 


OAK: Du sagst, dass „Querlesen“ dein Lieblingstool ist. Stelle uns doch bitte kurz die wichtigsten Tools von StoryIt vor.

CW: Das Werkzeug „Querlesen“ generiert einen langen Text aus allen vorliegenden Planungsinformationen. So hat man die Möglichkeit, die Geschichte am Stück zu lesen, in die Planungstexte einzutauchen und ein Gefühl dafür zu bekommen, ob es funktioniert. Mit ein paar Klicks kann man während des Querlesens kleinere Änderungen an der Planung vornehmen. 

Das „Storygitter“ ist eine tolle Sache, wenn man mit mehreren Handlungssträngen arbeitet. Hier plant man Wendepunkte und Schlüsselszenen der einzelnen Stränge. Durch die Vernetzung aller Tools fügen sich im „Storygitter“ erzeugte Szenen automatisch in der großen Plotstruktur ein. Ich arbeite auch gern mit der „Stimmungskurve“, die mir den schnellen Blick auf Hochs und Tiefs in der Gefühlswelt meiner Figuren aufzeigt. So lässt sich ein besonders tiefer Fall gut vorausplanen. Sehr speziell – von einigen gehasst, von anderen geliebt – ist die „Ideenspinne“. Mit diesem Werkzeug können alle erfassten Ideen zu einem gigantischen Netzwerk verwoben werden. Das hilft, Abläufe zu finden, Zusammenhänge zu beleuchten und neue Handlungswege zu erkennen. 

Und brandneu ist das „Serienmodul“. Hier kann man mehrere Storys zu einer Serie gruppieren. Damit ist es dem Geschichtenplaner möglich, logische Fehler und Probleme in der Storyplanung anzugehen, zu überprüfen und ggf. zu beseitigen – über mehrere Geschichten hinweg. Der Plot, die Zeitleiste, die Stimmungskurve, das Querlesen und vieles mehr funktionieren in diesem Modul auch mit ganzen Serien. 


OAK: Was unterscheidet StoryIt von anderen Plot-Softwaren? 

CW: An dieser Stelle könnte ich die Idee mit der Idee anführen – sprich: die Idee als eigenes Element, das sich in den Vordergrund schiebt, wenn man es gerade braucht. 

Oder aber, dass StoryIt dem Autor größtmögliche Freiheiten lässt, soweit es softwaretechnisch möglich ist. Welche Daten müssen zu einer Szene erfasst werden? Welche Eigenschaften interessieren mich bei einer Figur? Das alles kann der Autor selbst bestimmen. 

Aber auch Plotting, so, wie es die meisten Lehrbücher zeigen, auf den Punkt zu bringen, halte ich für eine Stärke der Software. Die Software kennt die meisten Plot-Strukturen und erlaubt es, diese anzupassen. 


OAK: Idee als eigenes Element und große Freiheiten in der Gestaltung: Das hört sich an, als wolltest du nicht nur die so genannter „Plotter“, sondern auch die „Bauchschreiber“ abholen, die mit starren Plotstrukturen wenig anfangen können. Stimmt das? 

CW: Mir war anfangs nicht klar, dass StoryIt durchaus auch ein geeignetes Werkzeug für Bauchschreiber sein kann. Ich glaube, dass das Tool eine große Hilfe ist, wenn der Bauchschreiber – der Drauflosschreiber – das Ziel verfehlt und sich in den Wirren seiner Geschichte verloren hat. Das Erfassen aller Elemente bringt Klarheit. Das Schöne ist, dass StoryIt sowohl dem Bauchschreiber als auch dem Plotter zwar eine Richtschnur vorgibt, ihm aber keine Herangehensweise aufzwingt. So kann sich der Autor an jeder beliebigen Stelle der Story ein Element herauspicken und da arbeiten, wo die Kreativität zuschlägt. Eine Schriftstellerin sagte mir: „Es ist, als ob man eine sonnenbeschienene Lichtung im Wald vorfindet.“


OAK: Das sind wirklich wunderschöne Worte. Die Rückmeldungen anderer sind dir bei der Weiterentwicklung sehr wichtig, soweit ich weiß. Du beschreibst „StoryIt“ als „Software von Autoren für Autoren“. Wie ist das zu verstehen? 

CW: Ich wünsche mir, dass StoryIt überwiegend aus den Ideen, Rückmeldungen und Verbesserungsvorschlägen der beteiligten Autor*innen wächst. Es stecken jetzt schon etliche Anregungen in der aktuellen Version von StoryIt. Und es werden auch in Zukunft noch weitere Vorschläge in die Umsetzung mit einfließen. Die Autor*innen geben die Richtung vor, so dass die Software, soweit es mir möglich ist, so weiter wächst, wie es die angeschlossenen Autor*innen brauchen. Auf diesem Weg soll StoryIt zu einem umfassenden Plotting-Tool heranwachsen, das allen Anforderungen gerecht wird. Das verstehe ich unter „von Autoren für Autoren“. 


OAK: Die Daten der Autoren liegen ja auf den „fremden“ Servern, um einen Zugriff von überall aus zu ermöglichen. Wie gut sind die Daten gesichert? 

CW: Die Daten werden verschlüsselt im Internet übertragen und auf den Servern in einer codierten Datenbank abgelegt. Dort werden sie regelmäßig gesichert. Selbstverständlich unterliegt das Projekt StoryIt der DSGVO. Mehr Infos dazu finden sich in der Datenschutzerklärung. Mehr kann man, denke ich, nicht tun. Wer allerdings grundsätzlich kein Vertrauen in Online-Plattformen hegt, der soll am besten auch von StoryIt die Finger lassen. 


OAK: Warum hast du dich für eine Online-Umsetzung entschieden und nicht für ein Programm, das man kaufen und auf dem eigenen Computer installieren kann?

CW: Das hat zwei Gründe. Der erste ist, dass ich StoryIt mit Werkzeugen entwickelt habe, die ich in meinem Brotjob tagtäglich benutze. So war es am einfachsten für mich. Ich musste nur wenig Neues dazulernen. Aber ich hätte so oder so auf eine Online-Version gesetzt. Und hier kommt der zweite Grund ins Spiel: Ich möchte meine Geschichten stets dabei haben. Mir passiert es immer wieder, dass mir in den unmöglichsten Situationen eine Idee durch den Kopf schießt. StoryIt gibt's in einer mobilen und in einer Desktopversion. Wenn ich gerade in der U-Bahn sitze, ziehe ich einfach mein Smartphone aus der Tasche, logge mich ein und arbeite an meiner Geschichte. Das wäre mit einer Offline-Version nur mit deutlich höherem Aufwand umsetzbar gewesen. Das kann sicherlich jeder Autor nachvollziehen, der schon einmal hektisch nach einem Zettel und Stift gesucht hat, um in einer U-Bahn, einem Restaurant oder Aufzug eine plötzlich zugeflogene Idee zu notieren. 


OAK: Da „StoryIt“ kein Programm ist, das man „kaufen“ kann, wie bekommt man den Zugriff auf die Software? 

CW: Da StoryIt eine Online-Anwendung ist, eine Internetseite sozusagen, habe ich leider nichts zu verkaufen. Stattdessen vermiete ich den Zugang zum Programm über die Crowdfunding-Plattform Steady.  Es gibt zwei Pakete, mit denen man das Projekt StoryIt unterstützen kann. Wählt man das Basispaket (4 Euro monatlich), dann kann man von Anfang an an zwei Storys (Geschichten, Buchprojekte) gleichzeitig arbeiten. Den meisten sollte das genügen. Entscheidet man sich jedoch für das Paket mit dem Titel „Bestseller-AutorIn“ (7 Euro monatlich), kann man sofort so viele Storys bearbeiten, wie man möchte. 

Bei jährlicher Bezahlung kann man noch bis zu 20 % sparen. Außerdem gibt es eine nette Option, von der viele noch nichts wissen. Autor*innen, die das Basispaket gebucht haben, erhalten für jede ISBN, die sie auf der Referenzen-Seite der StoryIt-Homepage einstellen lassen, eine weitere Story kostenlos zur Bearbeitung freigeschaltet. Funktionell sind das „AutorIn Basispaket“ und das Paket „Bestseller-AutorIn“ vollkommen gleich. Und es wird auch in Zukunft an dieser Stelle keine Änderung geben. Neue Funktionen werden immer allen Benutzern zur Verfügung gestellt. 


OAK: Kann man StoryIt unverbindlich testen? 

CW: Klar. Egal, welches Paket man bucht – die ersten 30 Tage sind immer gratis. Man kann die Software ausprobieren. So lange man innerhalb dieser 30 Tage das Steady-Paket kündigt, bezahlt man gar nichts. Ich denke, so ist das fair. 


OAK: Nun ist es aber so, dass man als Autor nicht die ganze Zeit plottet. Irgendwann ist der Plot fertig und man braucht die Software nicht mehr. Die monatlichen Beiträge werden aber weiterhin abgezogen. 

CW: Ja, da hast du recht. Jede/r Autor*in wird Leerlaufzeiten haben, wo er / sie StoryIt bezahlt, aber gerade eben nicht braucht. Es steht jedem frei, die Unterstützung während dieser Zeit einzustellen und das Paket erst dann wieder zu buchen, wenn es ans Plotten geht. So sollte es kein Problem darstellen, denke ich. Aber Vorsicht: Die Daten vorher runterladen. Denn zum Ablauf des Abos werden der Account und alle Daten gelöscht. Andererseits habe ich vor, das Sammeln von Ideen in einer künftigen Version von StoryIt auch außerhalb von Projekten zu ermöglichen. So hätte StoryIt auch dann einen Nutzen, wenn man nicht gerade an einem aktuellen Projekt arbeitet. Eine komfortable Notizbuchfunktion, speziell für das Ideensammeln, deren Einfälle später direkt in die Projekte geschoben werden können. Wie fändest du das? 


OAK: Das klingt nach interessanten und für viele Autoren nützlichen Plänen für die Zukunft. Was ist noch für StoryIt geplant, woran arbeitest du als Nächstes? 

CW: StoryIt ist gerade erst wenige Monate alt. Ich weiß nicht, ob man da schon wirklich sagen kann, wohin die Reise führen wird. Wo es meine Zeit erlaubt, baue ich die Plattform weiter aus, nach Rücksprache mit den Autoren. Augenblicklich läuft eine Abstimmung über die nächste Ausbaustufe der Software im Support-Forum. 

Und selbstverständlich kümmere ich mich jederzeit gern um alle Anliegen, um Probleme und Anlaufschwierigkeiten. 


OAK: Vielen Dank für das Interview! 

Mehr über StoryIt können Sie unter https://storyit.de/ erfahren. Hier einige Links zu Beispielansichten aus der Software:

Querlesen auf dem Smartphone
Querlesen auf dem Desktop-Rechner
Das Storygitter
Eine Stimmungskurve
Eine Zeitleiste im neuen Serienmodul

 


WAS DEM LEKTORAT AUFFÄLLT (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.)


„Blutige Bilder“

Text: Ingrid Poljak, Lektorat: Hans Peter Roentgen

Montag, 09:30 Uhr 
Fred saß in seinem Büro und stocherte die letzten Krumen des Frühstücksbrotes aus seinen Zähnen. Den Zahnstocher behielt er im Mund, während er im Geiste das Textbuch vor sich liegen hatte und seinen Text fürs Theater memorierte. In Wirklichkeit lagen nur die Papiere und Pläne für die Bauverhandlung vor ihm. Der letzte Auftraggeber war pleite, und Fred würde nur übers Gericht an einen Teil seines Geldes herankommen. Zum Glück war der Auftrag zum Bau eines Hotelrestaurants in Laab am Wald so gut wie fix. Für heute um elf war die Verhandlung angesetzt. Er hatte extra dafür neue Jeans angezogen und seine Lederjacke mitgenommen. Auf dem Land legten sie Wert auf gutes Aussehen. Baubeginn war in zwei Monaten geplant. Dann konnte er wieder zwei Baustellen parallel laufen lassen, die keine fünf Kilometer voneinander entfernt lagen. Er würde da sicher einige Kosten einsparen. Er konnte auch den neuen LKW bestellen, den er dringend brauchte. Wenn alles nach Plan lief, würde sich die Firma in einem halben Jahr erholt haben. 
Er schob gerade den Zahnstocher in den anderen Mundwinkel, als das Handy läutete. 
Der Polier war dran. Mit Hans Nowak hatte Fred einen Mann gewonnen, auf den er sich verlassen konnte. Zurzeit betreute Nowak die Baustelle in Rodaun ganz hervorragend. 
„Schlechte Nachrichten, Herr Feichtinger.“ 
„Sind die Polen nicht gekommen?“ Es war fünf nach halb zehn, die Männer müssten gerade die Pause beendet haben. 
„Ich habe sie nach Hause geschickt. Katholiken, und morgen ist Feiertag. Da wird heute nichts mehr. – Aber das ist es nicht.“ Der Polier machte eine Pause und Fred war nahe daran, zum ersten Mal Nowaks Entscheidung nicht gutzuheißen. Er hielt sich zurück. 
„Chef, wir sind auf eine Leiche gestoßen.“ 
„Auf eine ... was?!“ 
„Da liegt eine Leiche in der Baugrube.“ 
Einen Augenblick lang hielt Fred inne, dann knallte er das Handy auf den Tisch und sprang auf. Riss seine Jacke von Kleiderständer, stürzte an seiner Vorzimmerdame vorbei. „Alle Anrufe abwimmeln! Termine absagen!“ 
An der Tür machte er kehrt, schnappte sein Handy vom Schreibtisch und hetzte nochmals an der Vorzimmerdame vorbei. „Bin in Rodaun!“ 
„Auch die Bauverhandlung in Laab?“ 
„Rufen Sie den Gemeinderat an, Resi. Sagen Sie, ich bin krank!“ Die Regiebesprechung im Theater heute Abend konnte er auch in den Kamin schreiben. 
Während er durch die Breitenfurterstraße brauste, drückte er die Rückruftaste. „Ich bin in fünf Minuten bei Ihnen. Und nichts anfassen bitte!“ Das klang, wie Fred es aus Fernsehkrimis kannte. 
„Und schicken Sie auch die restlichen Leute nach Hause. Zeitausgleich.“ Sein Polier hatte recht gehabt, die Polen nach Hause zu schicken. Er konnte es sich nicht leisten, die Arbeiter fürs Herumstehen und Gaffen zu bezahlen. Warum musste so etwas auch jetzt passieren, jetzt, schon zwei Monate, bevor er die Leute woanders einsetzen konnte?! Ein Toter auf einer Baustelle bedeutete Stillstand. Polizisten würden herumkriechen und Absperrleinen spannen, sie würden Fragen stellen. Die Gedanken in Freds Kopf stolperten durcheinander. Wir sind auf eine Leiche gestoßen, das klang nicht nach Arbeitsunfall. Er rief nochmals Hans Nowak an. 
„Ein alter Toter?“ Hoffentlich kein alter Friedhof, auf dem noch viele Leichen begraben waren ... 
„Was? – Nein, eine junge Frau.“ 
„Ich meinte, schon lange tot?“ 
„Ich glaube nicht. Sie liegt unter einem Sandhaufen.“ 
Herrgott, hoffentlich ein Unfall, alles nur kein Mord! Nur keine langen Ermittlungen! Keine Baueinstellung! Nicht jetzt! Seine Hände umklammerten das Lenkrad, die Fingerknöchel traten weiß hervor. Er bremste scharf und fuhr trotzdem bei Rot über eine Kreuzung. 
Die nächste Straße rechts. Das Auto schlitterte um die Ecke. Nach einem Kilometer hielt er neben dem Polier an, riss die Handbremse hoch. Nowak öffnete ihm die Wagentür und deutete ihm, sich zu beruhigen. Dort, wo zwei Arbeiter in der Baugrube standen, musste die Leiche liegen. 
Während Fred dem Polier in die Baugrube folgte, wurde ihm klar, dass er vor drei Minuten beinahe einen Fußgänger überfahren hätte. Der Mann hatte hinter ihm drohend den Gehstock erhoben. 
Ein Haufen grober Sand lag in der Baugrube, zwischen der Böschung und dem fertiggestellten Fundament. Sand, der gestern nicht dort gelegen war. Und es sah aus, als hätte jemand von oben die Leiche verschütten wollen. Unter dem unteren Ende des Sandkegels ragte ein nackter Unterschenkel hervor. Fred zog seine Jacke fester zusammen, trotzdem überlief Kälte seinen Rücken. 
Hans Nowak sprang in die Grube und beugte sich nieder. 
„Nicht berühren!“ 
Doch Nowak kehrte mit der Hand ein paar Sandklümpchen von der Haut der Leiche. Er hatte recht gehabt: Es war das glatte Bein einer Frau mit rot lackierten Zehennägeln. 
Fred drehte sich um, schaute zu den beiden Arbeitern, die jetzt etwas abseits standen und herüberglotzten. „Fahrt nach Hause. Nehmt euch Urlaub.“ Sein Blick fiel wieder auf das bleiche Bein. 
„Aber die beiden haben die Leiche gefunden“, sagte Nowak. „Die Polizei wird sie fragen wollen.“ 
Das Wort „Polizei“ begann in Freds Kopf zu hämmern. Aber gleichzeitig blitzte ein anderer Gedanke in seinem Hirn auf. Was, wenn die Polizei gar nicht kam? Was, wenn die Tote unter der Böschung verschwinden würde? 
„Habt ihr die Polizei schon verständigt?“ Wieder rieselte ein Schauer über seinen Rücken, er zog die Schultern hoch und schüttelte sich ab. Die Tote einfach liegen lassen und begraben! Wie konnte er so etwas nur denken?! 
Der Polier nickte. „Die müssen jeden Augenblick da sein.“ 
Fred bohrte die Schuhspitze in den Sandhaufen, dorthin, wo er den Kopf der Frau vermutete. Er schob ein paar Steinchen zur Seite. Sand und Kies von der Böschung rutschten nach. Aus dem Sandkegel schimmerten eine nackte Schulter und ein Stück roter Stoff hervor. Ein Wäschestück oder ein Halstuch. Da ertönte von weitem die Polizeisirene. 


Lektorat von Hans Peter Roentgen


Fred sitzt am Schreibtisch, kaut auf einem Zahnstocher, repetiert seine Theaterrolle, und vor ihm liegen Baupläne. Von einem Bauprojekt, das gerade pleite gegangen ist, und er muss zum Gericht. Dann ruft der Polier einer anderen Baustelle an. Er hat eine Leiche gefunden. 


Fesselt eine Szene?

Wie immer die erste Frage: Fesselt der Text? 

In diesem Falle: am Anfang nicht. Ich hätte ihn aus der Hand gelegt, bevor ich zu den spannenden Teilen gekommen wäre. 

Woran liegt es, dass er nicht fesselt? Ist es eine langweilige Szene? Fehlt beim Aufbau, bei der Struktur Spannung? 

Nein, das Konzept der Szene hat Spannung. Eine Leiche auf der Baustelle, und das bedeutet Ärger. Was heißt: Die Struktur der Szene muss nicht überarbeitet werden. Aber sie braucht mehr Spannung. 


Die Delete-Taste: Das beste Mittel für mehr Spannung 

Wenn die Struktur stimmt, aber der Anfang lahmt, dann wirkt die Entf- bzw. die Delete-Taste Wunder. Um das Tempo zu beschleunigen, Unwesentliches zu streichen, den Text auf die Geschichte zu konzentrieren. 

Doch was soll man streichen? Da hilft die Frage: Was ist für die Szene nötig? Ist es nötig, zu wissen, dass in zwei Monaten eine neue Baustelle aufgemacht wird, dass der bisherige Bauträger pleite ist, dass Fred zum Gericht muss? 

Nein. Dass er Termine hat, erfahren wir später, wenn er den Auftrag gibt, sie abzusagen. An der Szene ändert sich nichts, wenn man das streicht. 

Braucht man den Zahnstocher und dass er seine Rolle repetiert? Ja, denn das schafft eine Spannung zwischen dem, was Fred gerade im Kopf hat, was ihn interessiert, und dem, was gleich passieren wird. 

Also streichen wir mal im ersten Kapitel alles andere: 

.....
Fred stocherte die letzten Krumen des Frühstücksbrotes aus seinen Zähnen. Den Zahnstocher behielt er im Mund, während er seinen Text fürs Theater memorierte. Vor ihm lagen die Pläne für die Bauverhandlung. 
Er schob gerade den Zahnstocher in den anderen Mundwinkel, als das Handy läutete. 
.....

So, die ganzen Details sind fort. Was habe ich noch gestrichen? Sehen Sie sich noch mal die Originalfassung an. 


Zwei Handlungen sind eine zu viel 

Ich habe gestrichen, dass Fred in seinem Büro sitzt. Erstens ist das ein sehr passives Verb, das das Tempo drosselt. Zweitens kann der Leser das aus den folgenden Sätzen entnehmen, es ist überflüssig. 

Oft beschreiben Autorinnen und Autoren in der ersten Fassung zwei Handlungen, verwenden zwei Verben. Wenn Sie Tempo haben wollen, ist es eine gute Idee, das weniger aktive Verb zu streichen. Hier also das „sitzen“. Auch dass er „im Geiste das Textbuch vor sich liegen hatte“ ist unwesentlich. Wichtig ist, dass er seine Rolle memoriert. 


Lebendige Details 

Was halten Sie von dem Zahnstocher? Würden Sie ihn streichen? 

Nein. Denn das ist ein lebendiges Detail, das ein Bild weckt. Ein Mann, der auf seinem Zahnstocher kaut und seine Brötchenreste aus den Zähnen gepult hat. 

Ein Detail ist immer gut. Wenn Sie mehrere solche Details in einer Szene haben, die Tempo verlangt, dann wählen Sie das eindrücklichste. Das, das Bilder weckt. Die Verhandlung weckt keine, auch die neuen Jeans nicht. 


Was wir wissen müssen – und was nicht 

Der Polier war dran. Mit Hans Nowak hatte Fred einen Mann gewonnen, auf den er sich verlassen konnte. Zurzeit betreute Nowak die Baustelle in Rodaun ganz hervorragend. 

Auch hier werden zwei Dinge behauptet. Erstens, dass Fred mit dem Polier jemand gewonnen hatte, auf den er sich verlassen konnte. Etwas umständlich erklärt. Zweitens, dass er die Baustelle in Rodaun betreut. Und dass er das ganz hervorragend tut, was wieder das Gleiche sagt wie der Satz davor. 

Wieder die Frage: Welche der beiden Sätze brauchen wir? Dass der Polier verlässlich ist? Oder dass er die Baustelle in Rodaun betreut? 

Ich plädiere für Rodaun. Nicht darüber, dass er das hervorragend tut? Nein, noch sind wir am Anfang der Geschichte, da sind Tempo und Konzentration angesagt. 


Dialog 

Dann folgt der Dialog am Telefon. Lesen Sie ihn bitte noch einmal durch. Was würden Sie dort streichen? 

Erst geht es um die Polen, die zwar gekommen sind, aber sich auf den katholischen Feiertag konzentrieren statt auf die Bauarbeiten. Doch die Polen und deren Religion sind nicht das Problem. Streichen würde ich sie nicht, sie sind die Ruhe vor dem Sturm und bringen einen „comic relief“. 

Sicher könnte man hier über die eine oder andere Stelle streiten, aber dann würden wir in den Bereich des unterschiedlichen Geschmacks kommen. 

Und dann die Leiche. Jetzt ist es ernst. Der sorgsam geplante Arbeitseinsatz gerät ins Wackeln. Und wir erfahren hier, dass die Arbeiter in zwei Monaten anderswo eingesetzt werden sollen, das jetzt aber noch nicht möglich ist. Das stand auch im ersten Absatz des Textes. Dort allerdings unverbunden. Hier dagegen passt es. Fred würde genau daran denken. 


Handlung mit Tempo 

Dann rast Fred durch die Stadt. Wir wissen warum, deshalb passt diese Hektik. Die Autorin bleibt eng im Kopf von Fred. Keine Autorenbehauptungen mehr wie im ersten Absatz. 

Lesen Sie sich den Rest des Textes noch einmal durch, und markieren Sie, an welchen Stellen etwas geändert werden sollte. 

Achtung: Das ist die erste Überlegung. Es ist immer gut, erst mal die Stellen zu markieren. Und beim zweiten Lesen zu überprüfen, welche dieser Markierungen Sie berücksichtigen müssen und welche nicht. 


Die vermaledeiten Adverbien 

Jeder Autor, jede Autorin verwendet sie in der ersten Fassung: Adverbien. Zum Beispiel in diesem Satz: 

Red drehte sich um, schaute zu den beiden Arbeitern, die jetzt etwas abseits standen und herüberglotzten. 

Braucht man den zeitlichen Hinweis, dass sie „jetzt etwas“ abseits stehen? 

Nein. Vermutlich stehen die schon seit einiger Zeit abseits. Und selbst wenn nicht, die Zeit spielt keine Rolle. Wohl aber das Glotzen und Abseitsstehen. 


Wann man hinschauen sollte 

Und dass Fred zu ihnen herüberschaut? Habe ich nicht oft genug geschrieben, dass es unwichtig ist, dass jemand schaut oder etwas hört? Dass das, was er sieht, wichtig ist und man das Schauen streichen könne? 

Nein, hier würde ich es ausnahmsweise nicht streichen. Denn hier hat das Schauen eine Funktion. Fred fallen sie auf, und deshalb will er sie nach Hause schicken. In diesem Falle sollte das Schauen stehenbleiben, weil es eine Funktion hat. 


Beginnen Sie nicht zu handeln 

Das Wort „Polizei“ begann in Freds Kopf zu hämmern. 

„Beginnen“ ist eins der Vampirverben, die häufig in der ersten Fassung auftauchen und dem Hauptverb die Kraft aussagen. In diesem Fall dem Hämmern. Also besser: 

.....
Das Wort „Polizei“ hämmerte in Freds Kopf. 
.....

Etwas besser. Aber nicht viel. Hämmert auch Ihnen das „Hämmern“ unrund beim Lesen im Kopf herum? Bei mir ja. 

Wichtig ist die Polizei. Das Wort löst bei Fred Schrecken aus. In solchen Fällen können Sie das Wort einfach stehen lassen, ohne weitere Begleitmusik. 

.....
Polizei! Absperrungen! Stillstand!
Dann blitzte ein anderer Gedanke in seinem Hirn auf. Was, wenn die Polizei gar nicht kam?
..... 

Was habe ich hier gemacht? Ich habe nur drei Wörter hingeschrieben, die an die Überlegungen beim Telefonanruf anschließen. Weil der Leser die bereits kennt, muss ich nicht ausführlich sagen, was das bedeutet. In Actionszenen (und auch im Dialog) muss man nicht immer vollständige Sätze bilden. Abgebrochene Sätze, einzelne Wörter können das Tempo erhöhen. 

Und dann kommt die Wende. Was wäre, wenn ... 


„Da“ und andere Zeitangaben 

Am Schluss grübelt Fred, doch dann unterbricht die Polizeisirene sein Grübeln. Guter Schluss. Muss man extra betonen, dass das „dann“ oder „da“ geschah? 

Nein, eigentlich reicht der Satz: „Von weitem ertönte die Polizeisirene.“ Als eigener Absatz und Schlusspunkt der Szene. 

Wenn klar ist, wie der Zeitablauf ist (Fred überlegt, dann werden die Überlegungen durch die Polizeisirene unterbrochen), müssen Sie das nicht extra betonen. „Dann, da, während, als“ können Sie meistens streichen und werden damit das Tempo steigern. 


Zusammenfassung 

Wenn die Szene selbst spannend ist, Sie aber beim Lesen das Gefühl haben, dass der Spannungsbogen durchhängt, lohnt es sich, zu streichen. Langatmige Szenen gewinnen dadurch Spannung und Tempo. Denken Sie daran: Die Entf- bzw. Delete-Taste ist der beste Freund der Autorinnen und Autoren. 

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Hans Peter Roentgen ist Autor der Bücher „Vier Seiten für ein Halleluja“ über Romananfänge, „Drei Seiten für ein Exposé“, „Schreiben ist nichts für Feiglinge“ und „Klappentext, Pitch und weiteres Getier“. Außerdem hält er Schreibkurse und lektoriert.


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Ute Hacker (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.)


Frage:


Seit einiger Zeit sitze ich an der Entwicklung meiner Geschichte für meinen ersten Roman. Ich möchte sie gerne nach dem Schema der Heldenreise planen, da dieses für meine Vorstellungen am Besten geeignet zu sein scheint. 

Nun stehe ich vor folgender Problematik: In den mir bekannten Fällen der Heldenreise, auf die Campbell oder Vogler eingehen, ist dem Leser von Anfang an klar, wo das Ziel des Helden liegt und was ihn am Ende dabei erwarten wird. Nun habe ich geplant, dass mein Held in den Wirren eines Krieges nach einer Person sucht, um sie nach Hause zu bringen. Diese Person aber verändert sich im Verlauf des Krieges so sehr, dass sie zum Widersacher meines Helden wird, d. h., weder der Leser weiß am Anfang, was genau den Helden erwartet, weil sich die gesuchte Person ja selber noch während des Romans entwickelt, noch der Held weiß dies. 

Ist es ratsam, eine solche Geschichte aufzubauen? Die Veränderung der gesuchten Person würde ich gerne darstellen und sie nicht einfach als Widersacher präsentieren.
 
Sollte die grobe Entwicklung der gesuchten Person besser schon abgeschlossen sein, wenn sich mein Held auf die Heldenreise begibt? Also dass von Anfang an klar ist, dass sie zum Widersacher des Helden geworden ist?  Ich würde mich freuen, darüber Ihre Meinung zu hören, da diese Variante ja schon deutlich abweicht von den gängigen Vorlagen. 
 

Antwort: 


Einen Roman anhand der Heldenreise anzulegen ist an sich eine sehr gute Idee. Was sich Jahrtausende lang bewährt hat, kann nicht verkehrt sein. Aber – man muss sich nicht sklavisch daran halten! Viel wichtiger als das Befolgen von Regeln ist beim Schreiben, die eigene Stimme zu finden. Und dazu gehört auch, dass man mit (angeblichen) Regeln bricht. 

Dass ein Held sich auf die Reise begibt, um jemanden zu retten, kennen wir alle zur Genüge. Und natürlich erwarten wir ein Happy End – wie immer das dann aussehen mag. Sehr viel spannender ist es doch, wenn dein Held nach einem langen Abenteuer endlich auf die Person trifft, wegen der er das alles auf sich genommen hat – und dann stellt sich heraus: Die Person ist gar nicht mehr so! Was für eine Wendung! Du spielst mit den (falschen) Erwartungen der Leser, und genau das macht die Spannung aus. 

Vorsicht ist natürlich geboten, damit die Leser nicht zu früh erfahren, wer der eigentliche Widersacher ist. Es muss also mindestens eine zweite Figur geben, die dem Helden angeblich Böses will. Denn wenn ich das bereits von vornherein weiß – warum sollte ich das Buch dann noch lesen wollen? Ob die Entwicklung zum Widersacher zu Beginn bereits abgeschlossen sein sollte, musst du entscheiden. Wichtig ist, dass weder Held noch Leser das wissen. 

Wichtig ist auch, dass du dir vor dem Schreiben klarmachst, was du mit deiner Geschichte erzählen willst. Ist es die klassische Heldenreise, wo Figur A Figur B aus einer gefährlichen Situation retten will, dann ist das die oben beschriebene Variante. Es gäbe natürlich auch die Möglichkeit, dass dein Held – und damit der Leser – weiß, dass Figur B sich verändert hat, und er sie überzeugen will, sich wieder zurückzuverändern. Das ist in meinen Augen aber eine ganz andere Geschichte. 

Sehr wichtig: Es ist DEIN Roman! Du bestimmst, wo's lang geht, egal was die anderen, auch die sogenannten SchreibexpertInnen sagen. Natürlich gibt es bestimmte Regeln, die man einhalten sollte, vor allem, wenn es ein Erstling ist. Dazu gehört aber nicht, sich 1:1 an Vorgaben zu halten. Finde deine eigene Stimme und deinen eigenen Stil! Der Roman muss für dich rund und stimmig sein. (Was dann ein Verlag dazu sagt, steht sowieso auf einem ganz anderen Blatt!) 

Der beste Satz, den ich aus vielen absolvierten Schreib-Workshops mitgenommen habe, lautet: „Die erste Fassung ist immer für mich.“ Viele Autoren sagen ja, dass die Arbeit erst mit der Überarbeitung beginnt. Da ist auf jeden Fall was dran. Als erfahrener Autor kann man schon beim Schreiben mit einem Auge auf den Markt und das Zielpublikum schielen, aber als Neuling sollte man sich zunächst auf die Geschichte konzentrieren. 

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Die Münchner Autorin Ute Hacker schreibt deutsch und englisch und tummelt sich in verschiedenen Genres, u. a. im Kinderbuch (als Luisa Hartmann) und im Krimi (als Billie Rubin). Im Vordergrund steht derzeit jedoch „Café Hannah“, eine Serie rund um Hannah und ihr Münchner Café. Bisher sind 3 Teile als E-Book erschienen; Teil 1 gibt es jetzt ganz neu in Buchform. Mehr Infos auf ihrer Homepage: www.utehacker.de.


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