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Gefährde ich durch ein Fantasybuch meinen Arbeitsplatz?

Ich habe ein Fantasy-Manuskript geschrieben (knapp 300 Normseiten) und bin mit der Überarbeitung in den letzten Zügen. Im Dezember 2015 wollte ich es als E-Book bei Amazon oder anderen Diensten publizieren. Was mich jedoch davor zurückschrecken lässt, ist folgende Frage: Gefährde ich durch ein Fantasybuch meinen Arbeitsplatz? [...]

Die Fantasy, die ich geschrieben habe, hat rein gar nichts mit meiner Arbeit zu tun. Das heißt, es gibt hier keinerlei Bezüge zur Tätigkeit. Aber es ist auch "Erwachsenen"-Fantasy, und dementsprechend düster und auch brutal geht es zu (an einigen Stellen). [...] Ich habe Sorge, dass Kollegen oder mein Arbeitgeber das Buch findet, aufschlägt und darin "Gedanken" und Themen wiederfindet, die er mit seinen Interessen als Kundenservice nicht in Einklang bringen kann. [...]

Mache ich mir hier zu viele Gedanken?

Erst einmal: Herzlichen Glückwunsch, dass du dein Manuskript fertiggestellt hast und jetzt überarbeitest. Das zeigt schon mal, dass es dir ernst ist mit dem Schreiben.

Grundsätzlich gilt die Freiheit der Kunst, durch Art. 5 Absatz III GG gewährleistet. Allerdings machst du aus deiner Kunst (dem Manuskript) durch den Verkauf an einen Verlag (oder als E-Book über einen Anbieter) ein Produkt. Dieses Produkt steht öffentlich zur Einsicht an, d. h., jeder kann dazu eine Meinung entwickeln.

Eigentlich sollte niemand – egal, ob Vorgesetzter, Kollege oder Bekannter – daraus ableiten, dass du als Fantasy-Held durch die Gegend reitest und Kinder vor der Vergewaltigung rettest oder auch nicht. Du bist schließlich nicht dein Protagonist. Aber niemand kann verhindern, dass sich die Leute Gedanken machen und Spekulationen anstellen, was das für jemand sein könnte, der über solche Themen in diesem oder jenem Stil schreibt. Oftmals gilt immer noch: Wenn jemand „so was“ schreibt, dann hat er auch eine Affinität dazu. Mich hat man schon des öfteren gefragt, ob ich wirklich reiten und kämpfen könnte (na ja, konnte ich) und ob ich tatsächlich auf den Berg gestiegen bin (nein, bin ich nicht). Komisch, mich fragt niemand, ob ich Drachen füttere oder zaubern kann. ;-)

Meistens bleibt es bei Neugier-Bekundungen und es ergeben sich keine Konsequenzen daraus. Doch was steht wirklich dahinter, wenn man versetzt wird, ein anderes Arbeitsgebiet zugewiesen bekommt, andere Kunden betreuen soll? Liegt das nun am Alter, am Öfter-mal-zu-spät-Kommen oder an dem Buch, das ich geschrieben habe? Oder liegt es an betrieblichen Umstrukturierungen, dem Arbeitsmarkt oder der Konkurrenz untereinander? Wer will's wissen? Wen interessiert's?

Sollten mein Arbeitgeber oder meine Kollegen mich aufgrund meiner Texte weniger mögen oder benachteiligen, dann sind es für mich die falschen Arbeitgeber und Kollegen. Nebenbei: die meisten bewundern einen, wenn man schreibt, weil man etwas tut, was der / die andere selbst gern täte, wozu er / sie sich aber (noch nicht) aufraffen konnte.

Es gibt mehrere Lösungsansätze für deine Frage:

  1. Du veröffentlichst unter deinem Klarnamen, weil du mit vollem Ernst hinter dem stehst, was du schreibst, und auch mit deinem Klarnamen als Autor bekannt werden willst. Was du privat machst, geht deinen Arbeitgeber nur etwas an, falls du damit in seine Belange eingreifst. Beispiel: Du bist Arzt und arbeitest an einem Krankenhaus. Du schreibst einen Krimi, der in diesem Krankenhaus spielt und andere Ärzte, Schwestern, die Verwaltung und die Patienten in Misskredit bringt. Damit würdest du Informationen rausgeben, die du vertraglich gesehen eventuell gar nicht rausgeben dürftest. Oder du würdest üble Nachrede oder Rufschädigung betreiben. Dann kann dein Arbeitgeber vom Verlag verlangen, dieses Buch einzustampfen oder in Teilen zu schwärzen und dich ggf. entlassen. (Auch falls du ein Pseudonym nutzt.)
  1. Du veröffentlichst unter deinem Klarnamen Fantasy, die nichts mit der Realität deines Arbeitsplatzes oder Arbeitgebers zu tun hat. Dein Arbeitgeber hat keine Handhabe, das zu verhindern oder als ehrenrührig zu beurteilen. Ob Kollegen oder Vorgesetzte dein Buch lesen und nicht mögen oder gänzlich anderer Ansicht sind –, darauf hast du keinerlei Einfluss. Damit muss man leben. Es ist so, als ob ein Mitarbeiter "moralisch verurteilt" würde, der Soap-Operas im Fernsehen sieht oder Schnulzenfilme kauft. Dazu steht man, oder man wählt Option 3:
  1. Du veröffentlichst unter Pseudonym. Das heißt, du suchst dir einen Kunstnamen, unter dem das Buch erscheint. (Ich male beispielsweise unter einem Label, weil mein Klarname schon mit dem Tempest und Fantasy verknüpft ist.) Du denkst dir zu dem Pseudonym eine Vita, ein fiktives Leben aus – und schon bringt niemand dich mit dem Buch in Verbindung außer den Verlagsmitarbeitern. Oder außer du löst das Pseudonym selbst auf.
  1. Du veröffentlichst überhaupt nicht, sondern verteilst dein Manuskript als Publishing on Demand oder in Eigenregie nur an Leute, die du aussuchst. Sozusagen eine "Vereinsveröffentlichung", weil es nur Mitglieder eines Vereins (die du bestimmst) erhalten.

Es gibt einen Aufsatz von Claudia Luz: "Ich brauche ein Pseudonym", S. 650-655, in: Uschtrin, S. (Hrsg.): Handbuch für Autorinnen und Autoren, 8. Aufl. 2015: https://www.uschtrin.de/produkte/weiteres/handbuch

Ansonsten steh zu dem, was du schreibst!

beantwortet von: Stefanie Bense (17-12)

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