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Ich weiß nicht, an welchen Stellen ich zu viel oder zu wenig erkläre oder ob die Wendungen zu offensichtlich sind. Wie kann ich Gewissheit bekommen?

Ich arbeite jetzt seit eineinhalb Jahren an einem Roman. Ich habe mehrere Bekannte gebeten, einige Kapitel zur Probe durchzulesen und mir ein Feedback zu geben. Dadurch konnte ich bereits mehrere unsaubere Stellen ausbessern. Selbst die kritischsten Leser haben mir gesagt, dass mein Schreibstil sie zum Weiterlesen animiert, nur fehlt mir der fachliche Ansatz. Ich weiß nicht, an welchen Stellen ich vielleicht etwas zu viel oder zu wenig erkläre oder ob die Wendungen zu offensichtlich sind. Demnach habe ich Schwierigkeiten damit, "fertig" zu werden. Welche Möglichkeiten habe ich, mir da so etwas wie Gewissheit zu holen?

Du bist schon auf dem richtigen Weg: überarbeiten, Textkritik einholen und wieder überarbeiten. Das machst du schon besser als all jene, die glauben, dass nach der ersten Fassung der Roman fertig sei.

Ich rate dir, tritt einer realen oder virtuellen Gruppe bei, die sich dem handwerklichen (!) Schreiben verpflichtet hat. Am besten einer Gruppe, die auch Romane zulässt. Nicht jede Gruppe kann mit solch umfangreichen Werken umgehen oder will das. Du wirst sowieso erst einmal nur Ausschnitte vorstellen können.

Testleser sollten verschiedene Hintergründe haben:

1. Deine Bekannten sind gut, sofern sie von dir noch nichts über den Romaninhalt gehört haben. Dann können sie prima erste Eindrücke beim Lesen festhalten, Lese-Stolpersteine finden und das „Lesegefühl“ benennen. Sie haben jedoch nicht das Rüstzeug, konkrete Texthilfen zu geben.

2. Testleser, die selbst schreiben, schauen bereits genauer hin und können besser als „reine“ Leser den Finger darauf legen, wo es hakt. Vieles werden sie auch benennen können. Wer aber nicht selbst schon Roman(e) geschrieben hat oder oft Textkritik in der Runde geübt hat, weiß vielleicht nicht genau zu benennen, was schwächelt.

3. Testleser, die schon länger in einer Textkritikgruppe sind, benennen die Schwachstellen meist recht genau; aber deren Kritik ist oft umfassend, direkt und „gnadenlos“. Das muss man aushalten können. Man lernt aber in solchen Gruppen am meisten.

4. Wenn mein Manuskript soweit „durch“ ist, lasse ich es noch mal von ein, zwei Lesern/innen aus meiner Zielgruppe lesen, sozusagen: Testpublikum der späteren Käufergruppe. (Für die Ausarbeitung des Romans bringt das aber nicht viel. Es ist für mich nur eine Abschätzung, ob ich die Zielgruppe richtig getroffen habe.)

Das nächste Problem, das du ansprichst, ist das Loslassen. Man meint, immer noch etwas verbessern zu müssen. Man hat noch diese schöne Idee oder jene ... Da kann man sich dann nur auf das verlassen, was die Textkritik-Gruppe sagt. Wenn sie nichts mehr zu kritisieren haben, solltest du den Text als abgeschlossen betrachten. (Zumindest bis die Änderungswünsche von Verlag oder Agentur kommen.) Oder die Anfrage an Lesergruppe 4 starten: "Würdet ihr dies im Buchladen für 20 Euro kaufen?" Du könntest auch einen Lektor fragen (nicht vom Verlag, sondern externe Dienstleister), aber da diese meist sehr beschäftigt sind, wirst du für seine Dienstleistung zahlen müssen.

Ein weiterer Ausweg: Fang einen neuen Roman an, und lass den alten liegen. Mit der neuen Arbeit gewinnst du Abstand zu dem älteren Text. Wenn er dir dann immer noch gefällt, schreibe Exposé, Anschreiben und Leseprobe und sende alles an Verlage oder Agenturen.

beantwortet von: Stefanie Bense (15-5)

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