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Ich habe große Selbstzweifel, dass meine Geschichten nicht interessant sind. Was kann ich dagegen machen?

Ich liebe es, Bücher zu lesen, und schreibe selber sehr sehr gerne, doch leider habe ich große Selbstzweifel, dass meine Geschichten nicht interessant sind oder andere Leute nicht berühren würden, dies macht mir sehr zu schaffen, da ich ja gerne schreibe. Was kann ich dagegen machen?

Zweifel und Selbstzweifel kennt jede/r, die/der schreibt. Das ist ganz natürlich (sofern es keine selbstzerstörerischen Zweifel sind), weil man ja stets was Neues anfängt, eine (schreiberische) Reise ins Ungewisse antritt – und daher mit der Angst vor dem Unbekannten fertig werden muss. Ich kann dir die Selbstzweifel nicht nehmen, und das wäre auch nicht gut. Zweifel schützen vor Verletzungen, verlangen, dass man sich sicherer wird, bevor man an die Öffentlichkeit geht, wollen sagen, dass man noch nicht so weit ist.

Woher soll man wissen, ob es für andere interessant ist? Diese Frage stellt sich bei jeder Story neu, selbst wenn man schon sehr lange Zeit schreibt. Aber keine Bange ...

Es gibt vier Möglichkeiten, darauf zu reagieren:

1. Du behältst deine Geschichten für dich, weil dir das Schreiben wichtiger ist, als die Storys öffentlich zu machen. Damit schreibst du eher bzw. nur für dich. Was zählt, ist der Spaß, Geschichten zu erfinden. Ohne Publikum.

Das hat den Vorteil, dass du nicht überarbeiten musst, dass deine „Schätze“ unangetastet bleiben und du dich für das Schreiben nicht rechtfertigen musst. Nachteilig ist jedoch, dass deine Storys sich kaum weiterentwickeln, dass du viel langsamer lernen wirst, dass deine Kritikfähigkeit den eigenen Werken gegenüber nur minimal gedeiht oder sogar unrealistische Formen annimmt. Selbstkritik wird dann von Das-ist-alles-Schrott bis zu Meine-Stories-sind-genial schwanken. Das Schreiben ist Selbstzweck. Und es fehlt der Zweck, wozu eigentlich Geschichten erzählt werden: Erleben der Geschichte durch Leser oder Zuhörer. Aber du kannst glücklich mit dieser Lösung werden, wenn es (nur) darum geht, zu schreiben, zu erfinden, die Bilder aus dem Kopf und Herzen aufs Papier zu bringen.

2. Du erarbeitest dir eine Ist-mir-doch-egal-Haltung und viel Selbstbewusstsein und ein dickes Fell, damit du es aushalten kannst, wenn mit der Zeit kaum noch jemand etwas von deinen Storys lesen / hören will. Das Publikum investiert Zeit in deine Stories, wenn man sie liest oder ihnen zuhört, und Geld, wenn man die Medien (Bücher, Hörbücher, E-Books ...) kauft. Also will ein „zahlendes“ Publikum auch etwas bekommen: Unterhaltung, Spannung, Wissenswertes, Zeitvertreib, Gedankenfutter, ästhetischen Genuss ... je nach Story und eigener Laune. Wenn es das von deinen Stories nicht bekommt, bleibt das Publikum über kurz oder lang weg.

Vorteil: Alles, was du schreibst, ist in deinen Augen gut. Du benötigst kaum Selbstkritik und erhältst deine Bestätigung allein dadurch, dass du deine Storys geschrieben hast und vorstellen kannst. Das Schreiben ist Bühne. Reaktionen, Verbesserungen und Kritiken interessieren nicht. Nachteil: Deine Stories und du werden sich nur langsam bis gar nicht weiterentwickeln. Aber du kannst damit glücklich werden, denn es geht nur darum, dich selbst darzustellen.

3. Du stellst deine Geschichten nur noch Leuten vor, von denen du weißt, dass sie sie gut finden werden, also Freundinnen, Freunden, Eltern, Bewunderern, Fans ... Dieses Publikum wirst du nicht verlieren, sie werden dich stets beklatschen, denn sie mögen dich und wollen, dass du sie magst. Vielleicht wird irgendwann lustlos geklatscht, vorsichtig gesagt: "Du könntest ja mal ..." oder sich herausgeredet, um nicht mehr lesen / zuhören zu müssen. Aber dieses Publikum ist auf jeden Fall positiv eingenommen und das Schreiben Hobby ohne Anspruch.

Vorteil: Du bekommst Bestätigung, vielleicht sogar noch mehr Schwung, um zu schreiben. Nachteil: Entwicklung, Dazulernen und Experimentierfreude werden nicht gefördert. Aber du kannst damit glücklich werden, wenn es dein Ziel ist, bewundert zu werden.

4. Du arbeitest so lange und intensiv an deinen Geschichten, bis du das Bestmögliche daraus gemacht hast. Dann kannst du guten Gewissens deine Story loslassen. Und deine Selbstzweifel. Wenn dein Publikum Kritik übt, hörst du zu (ohne Ja, aber), machst dir ggf. Notizen und arbeitest damit. Das heißt, du kannst Kritikpunkte akzeptieren und die Storystellen dahingehend überarbeiten, oder verwerfen und anders überarbeiten. Auf jeden Fall solltest du über Kritik nachdenken, solange diese sie konkret ist („Das hier ist blöd“, ist keine konkrete Kritik, besser: „Wenn die Heldin hier zaubert, warum kann sie das dann nicht, als sie überfallen wird?“ oder „An dieser Stelle wirkt der Held auf mich sehr nüchtern, obwohl er doch herzzerreißend traurig sein müsste“).

Also such dir als Publikum am besten eine Gruppe Schreibender, die handwerklich orientiert ist: eine Schreibwerkstatt, ein Autorenkreis, einen Schreib-Workshop ... Letzten Endes lernst du, Selbstzweifel zu akzeptieren, da sie warnen und schützen. Schreiben ist Profession, im besten Falle: Berufung.

Nachteil: Es ist viel Arbeit. Klar, man muss lernen, Kritik als Textkritik (nicht Kritik am Autor) zu verstehen, auszuhalten und umzumünzen in konkrete Verbesserungen an der Geschichte. Ja, man muss auch lernen, Kritik richtig einzuschätzen. Klar, anfangs schürt das die Selbstzweifel. Jedoch man macht damit Fortschritte.

Vorteil: Es ist der harte, aber dafür intensivere und lohnendere Weg. Du wirst dich und deine Storys weiterentwickeln, Handwerk lernen, ausprobieren, manchmal an einer Story scheitern, immer öfter die Geschichten tiefer, lebendiger und lesenswerter machen – kurz: Deine Stories werden wachsen und du auch.

Es ist Arbeit, wird dich fordern und fördern und manchmal verletzen, aber du kannst damit glücklich werden, wenn es dir darum geht, dass Schreiben mehr ist als Bühne, Hobby und Selbstzweck.

Übrigens: Man wächst nicht im konfliktfreien Raum (das gilt für Figuren ebenso wie für Autoren); Erst Widerstände, Unsicherheiten, Fehler, Zweifel und Schmerz fordern uns heraus, entwickeln unsere Stärken und lassen uns wachsen.

An den Storys mit anderen Gleichgesinnten zu arbeiten beseitigt die Selbstzweifel nicht, aber es hält sie im Zaum. Denn du nutzt eine Schreibgruppe als geschützten Raum, in dem idealerweisealle daran interessiert sind, ehrlich Feedback zu geben und die Geschichten zu verbessern. Damit sollte (schon in euren Statuten) klar sein: Lob meint Lob, Kritik meint Kritik – beides am Text.

Für mich scheiden sich hier jene, die gerne schreiben, von jenen, die professionell schreiben. Professionelle Autoren/innen arbeiten an den Storys bis zur Reife, gehen mit ihren Selbstzweifeln konstruktiv um, nutzen und schätzen konkrete Kritik, anstatt ihr auszuweichen, sind ständig neugierig und lernbereit, fabulieren gern und sind sich bewusst, dass sie letztendlich eine „Ware“ verkaufen. Doch um zu schreiben, muss man ja nicht verkaufen.

Versteh mich bitte recht: Es ist genauso legitim, nur für sich oder Freunde schreiben zu wollen, das Schreiben ganz aufzugeben und ein anderes Hobby zu suchen, wie sich für den Autorenberuf zu entscheiden. Alle Möglichkeiten sind berechtigt. Auch ist die Wahl nicht lebenslang festgelegt. Nur – entscheiden musst du dich, sonst wirst du zerrieben.

Diese Möglichkeiten gelten generell, ebenso aber für jede Geschichte. Es gibt Storys von mir, die liegen „in der Schublade“ und werden sie wahrscheinlich nie verlassen, weil sie für mich unveränderlich sind. Einige sind schlecht, manche sind gut, aber sie sollen so bleiben wie sie sind. Doch für die meisten Geschichten wünsche ich mir Publikum, und das bedeutet, dass ich daran arbeiten muss, sie so gut wie möglich zu machen und sie dann loszulassen. Wenn ich das mir Bestmögliche aus der Story herausgeholt habe, dann darf auch der Selbstzweifel schweigen.

Frag dich: Was ist dein Ziel, deine Motivation beim Schreiben? Möchtest du den Selbstzweck, das Hobby, die Bühne – oder die Berufung? Erst wenn du das ehrlich beantworten kannst, wirst du entscheiden können, wie du mit deinen Selbstzweifeln umgehen willst.

Lass dir Zeit! Lerne, schreibe, probiere aus! Ich möchte dir Mut machen, den harten Weg zu gehen, solange du dabei nicht den Spaß am Schreiben verlierst. Du kannst später immer noch entscheiden, zu verkaufen, also das kommerzielle Publikum anzupeilen, oder nicht. Zunächst schreibe. Und teste deine Geschichten in einer geschützten Gruppe aus, zum Lernen, nicht zur Selbstdarstellung. Hier kannst du experimentieren, Erfahrungen sammeln, spielen, etwas wagen, ohne dass du gleich in der vollen Öffentlichkeit stehst. Du wirst dadurch sicherer, wie du mit Kritik umgehst (auch mit deinem inneren Kritiker), wie du das Handwerk anwendest, wie du auftrittst und was dir deine Geschichten bedeuten.

Zweifelst du dann immer noch, frag dich, was der Zweifel dir sagen will. Statt ihn zu bekämpfen, nutze ihn.

beantwortet von: Stefanie Bense (15-1)

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