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Frey, James N.: Wie man einen verdammt guten Roman schreibt

Dieses Buch ist nicht für jeden Autor gedacht. Das wird gleich zu Anfang deutlich, wenn wir das deutsche Vorwort und die Einleitung des amerikanischen Originals lesen. Volker Neuhaus beklagt in seinem vorangestellten Text, in Deutschland herrsche immer noch das Vorurteil, gute Autoren seien geborene Genies und Schreiben könne man nicht lernen. Genauso wie Komponisten, Maler und Bildhauer ihr Handwerk an Universitäten und Akademien einüben müßten, so sollten auch Schriftsteller systematisch Grundlagen ihrer Kunst erwerben. Das sei in den USA leichter als hier, dort gäbe es Kurse für ’creative writing’, in denen man vor allem lerne, dramatisch und spannend zu schreiben.

James N. Frey, selbst Dozent für kreatives Schreiben an der University of California, Berkeley, und erfolgreicher Thriller-Romanautor, sagt es danach in seiner Einleitung ganz deutlich:

"Ein verdammt guter Roman ist eindringlich, und das kann er nur sein, wenn er spannend ist. Zu einem spannenden Roman gehören die folgenden Merkmale: im Mittelpunkt steht eine Hauptfigur, der Protagonist, der mit einem Dilemma konfrontiert wird; das Dilemma weitet sich zu einem Konflikt aus; der Konflikt verdichtet sich aufgrund einer Reihe von Komplikationen zu einem Höhepunkt; auf dem Höhepunkt wird der Konflikt gelöst."

Als Beispiele für "verdammt gute Romane" nach diesem Muster führt Frey Ernest Hemingways "Der alte Mann und das Meer", John Le Carres "Der Spion, der aus der Kälte kam", Ken Keseys "Einer flog über das Kuckucksnest", Vladimir Nabokovs "Lolita", Mario Puzos "Der Pate", Charles Dickens’ "Ein Weihnachtslied in Prosa" und Gustave Flauberts "Madame Bovary" an. Gesichtspunkte aus all diesen Werken benutzt Frey in seinem Lehrbuch dann auch immer wieder dazu, seine theoretischen Betrachtungen zu illustrieren und plastisch zu machen.

Wenn man allerdings wie James Joyce und Virginia Woolf schreiben würde und experimentelle, symbolische, philosophische oder psychologische Romane hervorbringen wolle, die die Form des spannenden Romans bewußt meiden, dann solle man Freys Buch nicht lesen; auch dann nicht, wenn man nach einer literaturwissenschaftlichen Abhandlung suchen würde.

"Dieses Buch ist einfach eine Anleitung, wie man einen spannenden Roman schreibt, und mehr will es auch nicht sein."

In diesem klar abgesteckten Rahmen bewegt sich James N. Frey auf den folgenden knapp 200 Seiten sehr routiniert und didaktisch perfekt. Wir merken sehr schnell, daß es um Tricks und Kniffe geht, mit deren Umsetzung jeder sofort beginnen kann, die aber eingeübt gehören, bis sie in Fleisch und Blut übergegangen sind. Das Buch ist in neun Kapitel unterteilt, und jedes beschäftigt sich mit einem Grundelement dramaturgisch intensiven Schreibens.

Es beginnt mit der Frage "Wie schaffe ich wunderbar abgerundete Figuren, die Funken sprühen lassen und vermeide gleichzeitig Stereotypen?"

Das nächste Kapitel handelt davon, wie man gekonnt Konflikte konstruiert um seine Hauptfiguren "in den Schmelztiegel zu stecken"...

Weiter geht es mit der "Prämisse" einer Geschichte, der Grundaussage, Grund-idee oder "Lehre" der Handlung. Was soll uns die Story letztlich sagen?

Danach wird analysiert, was eine Geschichte eigentlich ist und wie man sie konstruieren muß, damit sie spannend wird.

Mit dem Geheimnis des Höhepunktes in der Dramaturgie setzt sich Abschnitt Fünf auseinander, gefolgt von einer Betrachtung geeigneter Erzählperspektiven.

Dann geht es um "die hohe Kunst" guter Dialoge und dynamischer Prosa und um die Qualen des Überarbeitens und Umschreibens. Abschließend gibt Frey noch ein paar Gedanken darüber kund, wie man als Schriftsteller auch bei Rückschlägen gesund bleibt: "Zen und die Kunst des Romanschreibens".

Ich bin von dem Buch begeistert. Es ist sehr flüssig und augenzwinkernd geschrieben und bietet, ohne langes Geschwafel, sehr konkrete Hinweise zu besserem, spannendem Schreiben. Dabei geht es recht technisch zu, denn James N. Frey erarbeitet sich seinen "verdammt guten Roman" mit der Präzision eines Architekten. Allerdings geht er sehr sensibel zur Sache, verarbeitet Gefühle wie Puzzlestücke zu einem komplexen Ganzen, das dann "funktioniert".

Im Vordergrund seiner Betrachtungen steht der Roman, aber auch für Kurzgeschichten lassen sich die Ausführungen wunderbar verwenden.

"Wie man einen verdammt guten Roman schreibt" ist somit ein Buch, dessen solide Tips und Techniken jeder im Hinterkopf haben sollte, der gelesen werden will.

Emons Verlag, Köln
ISBN: 3924491909

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Besprochen von: Thomas Kohlschmidt
Stand: 2002-08-06

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